Weihnachtsgeschichte

Wolfgang Mattheuer hat nach seinem plötzlichen Tod eine große Lücke in unserem Kuratorium hinterlassen. Er verkörperte den Teil Ostdeutschlands, der ein sehr differenziertes Menschenbild bewahrte, der Werte bewusst lebte und dessen Gesellschaftsbild von Humanismus geprägt war. Einer, der über die Verflachung unseres Lebens und Denkens in Zorn und Verzweiflung geraten konnte.
Wolfgang Mattheuer ist nicht ersetzbar, und wir wollen ihn auch nicht ersetzen. Aber wir wollen eine Kontinuität bewahren. In diesem Sinne waren wir froh, jemanden zu finden, der künstlerische Größe, politisches Engagement und diese einnehmende Menschlichkeit in sich vereint. In Jutta Wachowiak haben wir diesen Menschen gefunden und wir sind dankbar, dass sie unsere Bitte erfüllte, Mitglied unseres Kuratoriums zu werden.

Fragende Blicke in Westdeutschland

In Jutta Wachowiak zeigt sich die in Teilbereichen fortbestehende Spaltung Deutschlands: Während in Ostdeutschland fast jeder/jede diese große Künstlerin kennt und bewundert, löst ihr Name in Westdeutschland meist nur fragende Blicke aus. Grund genug, dass wir uns über die Bereitschaft Jutta Wachowiaks gefreut haben, nach Gödelitz zu kommen. Sie hat eine kleine Lesung präsentiert – vor allem aber hat sie mit uns gesprochen. Über ihr Leben in der DDR, über die aufregenden, hoffnungsschwangeren Monate der Wendezeit, über das Leben als Künstlerin im vereinten Deutschland. Und über ihre Zukunftspläne.

Jutta Wachowiak ist eine nachdenkliche, solidarische und leidenschaftliche Frau. Die ständigen Spannungen zwischen dem eigenen Anspruch als Künstlerin und dem, was man als „Bewältigung des Lebens“ bezeichnen könnte – diesen Konflikt trägt sie immer wieder in sich aus. Es ging um Privates und Berufliches – es ging auch um Gesellschaftliches, was sie sieht, analysiert, was sie anregt und aufregt. Und wo sie immer wieder Stellung bezogen hat – als Anregerin und Mitorganisatorin der großen Protestdemonstration vom 4. November 1989 oder als Kritikerin der heutigen Welt, in der grundlegende Bedürfnisse menschlichen Lebens immer mehr von bloßen Kapitalinteressen verdrängt werden.

Mit diesem Gespräch haben wir unsere Veranstaltungen des Jahres 2004 beschlossen.

Zur Person:
Wachowiak_2Jutta Wachowiak wurde am 13. Dezember 1940 in Berlin geboren. Nach einer durch die Nachkriegszeit von Armut geprägten Kindheit erlernte sie den Beruf einer Stenotypistin, arbeitete dann als Sekretärin und hatte schließlich das Glück, den Beruf zu erlernen, der ihrer eigentlichen Begabung entspricht – sie wurde Schauspielerin. 1960 bestand sie die Aufnahmeprüfung an der renommierten Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg und erarbeitete sich dort die Grundlagen einer Ausbildung, die auch heute allgemein als hervorragend anerkannt wird. Ihr erstes Engagement erfolgte 1963 – gleich nach Beendigung des Studiums – am Hans-Otto-Theater in Potsdam. 1968 engagierte sie das Theater in Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz), wo sie zwei Jahre lang spielte.
1970 wurde ihr ein Engagement am Deutschen Theater in Berlin angeboten, das bedeutete hohe Anerkennung und war ein Spitzenplatz auf der Karriereleiter eines Theater-Schauspielerlebens in der DDR. Dort feierte sie ihre großen Erfolge – vor allem mit den Regisseuren Wolfgang Heinz (Onkel Wanja/Sonja, Sommerfrische/Giacinta, Kinder der Sonne/Jelena, Die Möwe/Arkadina) und Langhoff (Maria Stuart, Biberpelz/Wolffen). Viele weitere große Rollen folgten – auch nach der Wende – bis zum Heute und Jetzt.
Zu DDR-Zeiten drehte sie einige Filme, die sie jenseits der Theaterwelt einem breiteren Publikum bekannt machten: „Käthe Kollwitz“, „Fallada – letztes Kapitel“, „Märkische Forschungen“, „P.S.“ und „Das Haus am Fluß“, in denen Roland Gräf Regie führte. Der größte Erfolg mit internationaler Anerkennung war der Film „Die Verlobte“ unter der Regie von Ralf Kirsten.
Jutta Wachowiak ist Mitglied der Akademie der Künste zu Berlin und Brandenburg.