Döbelner Allgemeine Zeitung – Der Deutsche mit 1000 Schattierungen

24. Oktober 2005

Gödelitz. Es gibt ihn also gar nicht, den Deutschen an sich. Zumindest nach den Worten des polnischen Buchautors Dr. Krystof Wojciechowski. Da schien Axel Schmidt-Gödelitz erleichtert. Er hat es schon immer gewusst: “Wenn ich gefragt werde, sage ich immer, ich bin Europäer.”

Dort fange die Misere an, kontert Wojciechowski augenzwinkernd und überführt den Gastgeber des Ost-West-Forums wie manch anderen Landsmann der Feigheit, nicht gerade vorm Feind, stattdessen – noch trauriger – vor sich selbst. Trotzdem: So oft und herzlich wie am Sonnabend wurde im Schafstall vom Gut Gödelitz selten gelacht, schon gar nicht – noch lustiger – von Deutschen über Deutsche.

Abgesehen von den Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschen, die schon Bücher füllten, seien die Deutschen nach Ansicht von Wojciechowskis Landsleuten arbeitsam, pflichtbewusst und humorlos, wobei Letzteres schade sei. Diese und ähnliche Feststellungen trifft der Autor in seinem Buch “Meine lieben Deutschen”, worin er Standard-Erfahrungen von Polen mit den deutschen Nachbarn schildert. Seine eigenen Erfahrungen seien immer positiv gewesen, sagt er.

In Fragmenten stellt Wojciechowski am Sonnabend sein Buch vor, steigt aus den Zeilen immer wieder aus, um die geschilderten Kurzgeschichten mit weiteren Anekdoten anzureichern. Eine positive Außenwirkung erzielten die Deutschen beispielsweise mit ihrer Hilfsbereitschaft gegenüber in Not geratenen Ländern. So spenden sie bei Naturkatastrophen sechsmal mehr als Franzosen. “Die Deutschen wagen es aber nicht, diese von anderen wahrgenommene Hilfsbereitschaft für ihre Image-Aufwertung zu nutzen”, beobachtet der Autor. “Na ja, am deutschen Wesen soll die Welt genesen – das hatten wir schon mal…” sei die abwehrende Antwort. Und die Aufforderung, darauf doch stolz zu sein, vertrage ein Deutscher schon gar nicht: “Naja, stolz zu sein als Deutscher, das hatten wir doch auch schon mal…”

Die in tausend Schattierungen existierenden Deutschen hätten Wojciechowski im Durchschnitt 60 Prozent Bewunderung abgerungen, 30 Prozent Ablehnung und zehn Prozent Nachdenken. Der heute an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und im Collegium Polonicum tätige Anthropologe war jahrelang mit einer deutschen Frau verheiratet und hatte mit seinem Schwiegervater, einem Berliner Professor, ein lebendiges Objekt seiner nicht ganz wissenschaftlichen Studien regelmäßig vor Augen. Herzlich warm geworden ist er mit ihm nach eigenem Bekunden übrigens nie.

Steffi Robak