Sächsische Zeitung – Jeder zehnte Schüler ohne Abschluss – ein Skandal

Eva-Maria Stange spricht über die Fehler der sächsischen Bildungspolitik. Sie sagt auch, wie es anders gehen könnte, von Dagmar Doms-Berger, 17.2.2014

Jeder zehnte Jugendliche in Sachsen verlässt die Schule ohne Abschluss. Für ein reiches Land wie Sachsen ist das eine Schande und ein gesellschaftlicher Skandal. Das sagte Dr. Eva-Maria Stange, stellvertretende Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, im Ost-West-Forum Gut Gödelitz. Die Politikerin war von 2006 bis 2009 Ministerium für Wissenschaft und Kultur in Sachsen.

Ursachen werden nicht angepackt

Mehr als 70 Prozent der Schüler ohne Schulabschluss kommen aus einer Förderschule. „Die Ursache liegt im Schulsystem“, so Stange. „Die Landesregierung experimentiert seit Jahren mit unzähligen Projekten, ohne die tatsächlichen Ursachen anzupacken.“ Sie und die sächsische SPD sehen in einer inklusiven Schule für alle Kinder, in der sie von der ersten Klasse bis zum Schulabschluss lernen können und eine individuelle Förderung erhalten, die gerechteste und effektivste Schulform. „Die Förderschule ist ein Abstellgleis, von dem es kaum ein Weiterkommen gibt.“ Während Schüler mit Lernbehinderungen in anderen Bundesländern integriert werden, kämen sie in Sachsen auf die Förderschule. Der Landesregierung sind die Missstände und deren Ursachen bekannt. Studien beweisen das. Doch es fehlt am Handeln. Fehlendes Geld könne allerdings nicht alleinige Ursache sein, wenn zur Rettung der Sachsen LB zwei Milliarden Euro zur Verfügung stünden, so Stange.

Doch statt in qualitativ gute Kitas, die akademische Ausbildung von Erziehern, die Reduzierung der Gruppengröße, den Ausbau des Förderunterrichts, mehr (junge) Pädagogen, in lebenslange Bildung – schlicht und einfach in gute Bildung zu investieren, regiert weiterhin der Rotstift.

Lehrerberuf in Sachsen unattraktiv

Gefahr in Verzug sei bei der Einstellung von Lehrern. Das Durchschnittsalter von Lehrern liegt bei über 50 Jahren. Im Jahre 2030 gehen 80 Prozent der Lehrer in den Ruhestand. „Wenn der Lehrerberuf in Sachsen nicht attraktiver wird, dann wird die Lage dramatisch.“ Derzeit wandern jährlich 500 Referendare in andere Bundesländer ab, weil sie dort besser bezahlt und verbeamtet werden. „Nachhaltige Bildungspolitik sieht anders aus“, so Stange.

Die Politikerin räumte mit einem Vorurteil auf, dass Armut die Bildungsarmut nach sich zieht. „Kinder, die in finanzieller Armut aufwachsen, in Sachsen betrifft dies 22,8 Prozent der Kinder, sind nicht automatisch bildungsarm“, so Stange. „Das trifft nicht für den Osten zu, da hier die Eltern und Großeltern noch einen Berufsabschluss haben. Dies stimmt nur dann, wenn die Eltern über keinen Bildungsabschluss verfügen.“

Welchen Stellenwert die Bildung überhaupt in Deutschland hat, verdeutlicht folgender Wert. Die Bildungsausgaben Deutschlands lagen 2012 mit 5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) noch unter dem Durchschnitt aller dort zusammengeschlossenen 34 wichtigsten Industriestaaten. Zwar sind die Ausgaben absolut gestiegen, aber nicht im Vergleich zur wachsenden Wirtschaftskraft.