Rückblick: Zwei Diplomatenleben – Wie Botschafter aus der DDR und der Bundesrepublik in Drittstaaten miteinander umgingen

Vortrag und Gespräch mit Dr. Hans-Georg Schleicher (Ost) und Harald Ganns (West)

Sonnabend, den 01. Oktober 2016, 18:00 Uhr, Gut Gödelitz, Alte Schäferei

Kann sich noch jemand an die Hallstein-Doktrin erinnern?

Sie besagt, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR durch einen dritten Staat als „unfreundlicher Akt“ gegenüber der Bundesrepublik zu werten sei und mit Gegenmaßnahmen geahndet werde. Diese außenpolitische Doktrin der Bundesrepublik war Teil des Kalten Krieges und galt von 1955 bis 1969.

Erst mit der neuen Regierung Brandt/Scheel wurde sie auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt. Mit der von Egon Bahr konzipierten neuen Ost-und Deutschlandpolitik, der Anerkennung der DDR als zweiten deutschen Staat und der Aufnahme beider deutschen Staaten in die UNO gab es mehr und mehr Staaten, die zwei deutsche Botschaften als selbstverständlichen Teil ihrer Außenpolitik betrachteten.

Wie aber verhielten sich die deutsche-deutschen Botschaften und ihre Repräsentanten zueinander, wenn sie auf fremdem Boden für ihre jeweilige Regierungen Dienst taten? Schließlich waren sie im Kalten Krieg ausgebildet worden. Meist verkörperten sie in ihren ideologischen Grundanschauungen eher Abwehr und Feindschaft als Freundschaft und Brückenbau. Auch blieben – trotz des Austausches von Ständigen Vertretungen in Bonn und Ost-Berlin und Verhandlungen über alle möglichen Bereiche – die Systemgegensätze bestehen, die Mauer ebenfalls. Und wann immer ein Flüchtling im Kugelhagel der Grenzposten sein Leben verlor, flammte wieder, meist kurzfristig, Feindschaft auf und die Verhandlungen gerieten ins Stocken.

Wie schon im vergangenen Jahr haben wir zwei ehemalige Botschafter, die in der Zeit von 1970 bis 1990 im diplomatischen Dienst der DDR und der Bundesrepublik arbeiteten, zu einem Gespräch auf Gut Gödelitz eingeladen. Beide waren vor allem in Afrika tätig. Was waren bei Dienstantritt ihre Grundüberzeugungen? Wie wurden sie ausgebildet? Was wurde ihnen von ihren Zentralen an Weisungen mitgegeben bezüglich des Verhaltens gegenüber dem Botschafter des anderen Deutschlands? Haben sie sich daran gehalten? Wurden sie kontrolliert? Mit welchen diplomatischen, wirtschaftlichen, militärischen oder sicherheitspolitisch-ideologischen Mitteln versuchten sie im Wettbewerb der Systeme zu punkten? Wie war die Lage im Gastland zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung? Ging man fair und sensibel mit den ostdeutschen Diplomaten um? Und schließlich: Wurde ein Teil der meist hochqualifizierten ostdeutschen Diplomaten nach der Wiedervereinigung vom Auswärtigen Amt in Bonn übernommen?

Wir freuen uns, Dr. Hans-Georg Schleicher (Ost) und Harald Ganns (West) auf Gut Gödelitz begrüßen zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen
Axel Schmidt-Gödelitz; Vorsitzender

hans-georg-schleicherZu den Personen

Dr. Hans-Georg Schleicher
Geboren 1943 in Törpin (Vorpommern), verheiratet, zwei erwachsene Kinder.

1962-1966 Studium der Diplomgeschichte und Geographie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (mit der Orientierung auf afrikanische Zeitgeschichte).

1966-1969 Doktorand am Institut für Allgemeine Geschichte der Martin-Luther-Universität, Promotion zur afrikanischen Zeitgeschichte (Ghana).

1969-1990 Tätigkeit im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR:
Auslandseinsätze an den Botschaften in Äquatorial-Guinea (1972-73) und Sambia (1974-1977), an der Ständigen Vertretung bei den Vereinten Nationen in New York (1979-81), als Botschafter in Simbabwe (1983-88) und als Leiter der Diplomatischen Beobachtermission in Namibia (1989-90).
Leitungsaufgaben im Afrikabereich des Außenministeriums: 1977-79 Sektorenleiter Südliches Afrika; 1981-83 Stellvertretender Abteilungsleiter Ost- und Zentralafrika, 1991-1993 Leiter eines Projektes der politischen Bildungsarbeit mit ausländischen Militärs in Deutschland. Wissenschaftliche Tätigkeit an der Universität Hannover sowie beim Verband für Internationale Politik und Völkerrecht Berlin. Zeitgeschichtliche Forschungen zur deutschen Afrikapolitik und zum südlichen Afrika. Veröffentlichung mehrerer Bücher und zahlreicher anderer Publikationen. Lehrbeauftragter an der Universität Hannover und der Humboldt-Universität zu Berlin. Lektoren- und Tutorentätigkeit.

Afrika- und entwicklungspolitische Konsultantentätigkeit. Berater bei der Unabhängigen Wahlkommission Südafrikas. Wahlbeobachter für die Vereinten Nationen und die EU.

Harald GannsHarald Ganns
Geboren am 13. August 1935 in Bonn, verheiratet, vier Kinder.

1954 – 1960 Studium der Germanistik, Anglistik und Geschichte in Heidelberg, Berlin,
Bristol/England und Freiburg. Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien.

1960 – 1963 Deutsches Komitee des World University Service, ab 1962 Generalsekretär.

1963 – 1965 Überseevertreter des Verbandes Deutscher Studentenschaften für Westafrika
in Dakar/Senegal.

1965 – 1968 Vorbereitungsdienst für den Höheren Auswärtigen Dienst.

1968 bis 2000 Auslandseinsätze an den Botschaften in Lomé/Togo (1968 – 1972), Madrid/Spanien (1972 – 1974), als Botschafter in Niamey/Niger (1980 – 1983), als doppelakkreditierter Botschafter in Jaunde/Kamerun und in Äquatorial Guinea (1983 – 1986), als Botschafter in Windhuk/Namibia (1990 – 1993), als doppelakkreditierter Botschafter in Pretoria/Südafrika und in Lesotho (1998 – 2000).

1974 – 1980 Auswärtiges Amt – Pressereferat, ab 1978 als stellvertretender Sprecher.

1986 – 1990 Auswärtiges Amt – Referatsleiter West- und Zentralafrika.

1993 – 1998 Auswärtiges Amt – Beauftragter für Afrikapolitik.

seit 01.09.2000 Ruhestand tätig als Consultant für afrikanische Fragen.

15.06.01- 31.12.07 Sonderbeauftragter des Auswärtigen Amtes für die Angelegenheiten der Organisationen der Vereinten Nationen mit Sitz in Bonn.

01.06.07-01.09.09 Sonderbotschafter für die Errichtung einer Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien ( IRENA ).

seit 16.04.08 Senior Advisor bei den Vereinten Nationen in Bonn