Während die Kriegsgegner sich über Bush und die Falken im Weißen Haus wenig Illusionen machen, passt der britische Premierminister Tony Blair irgendwie nicht ins Bild. Blair gilt als kluger und durchsetzungsfähiger Taktiker, aber auch als Sympathieträger. Nun aber scheint er sich verrannt zu haben. Zwar drängte er Bush zu einer zweiten, eindeutigeren Resolution des Weltsicherheitsrates, um dem Krieg die aus seiner Sicht wünschenswerte Legitimation zu verschaffen. Aber wie Bush lässt er im gleichen Atemzug keinen Zweifel aufkommen, dass der Feldzug gegen Saddam auch ohne die Zustimmung der UNO stattfinden wird. Spätestens mit diesem Bruch des Völkerrechts wird Blair aber die überwältigende Mehrheit der britischen Bevölkerung gegen sich haben, und er wird sich gegen eine zunehmende Kritik in seiner Partei, in der Fraktion und im Kabinett zur Wehr setzen müssen. Sollten dann schnelle militärische Erfolge ausbleiben, könnte ihn dies das Amt kosten. Aus der Sicht vieler Europäer wird Großbritannien als eine Art willfähriger Erfüllungsgehilfe der USA gesehen. Blair sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, Seite an Seite mit der Bush-Administration die politische Spaltung Europas zu betreiben.
Was begründet die Sonderbeziehung – diese “special relationship” – zwischen Großbritannien und seiner ehemaligen Kolonie noch heute? Sind es gewachsene Bindungen durch gemeinsam erfolgreich bestandene Kriege? Sind es gemeinsame Werte? Identische Interessen? Oder alles zusammen? Gibt es nachvollziehbare politisch-strategische oder ethische Gründe, die diese waghalsige Irak-Politik Tony Blairs erklären?
Wir freuen uns, über diese Fragen mit Jeremy Cresswell, einem britischen Spitzendiplomaten mit vorzüglichen Deutschkenntnissen, reden zu können.
Zur Person Jeremy Cresswell:
Jeremy Cresswell (geb.1949) studierte Politik- und Wirtschaftswissenschaft am Exter College, Oxford und an der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz. 1972 trat er in den Dienst des Ministeriums für Auswärtige und Commonwealth-Angelegenheiten ein.
Nach zwei Einsätzen in London (der letztere als Persönlicher Referent des Staatsministers) sowie Einsätzen in Brüssel und Kuala Lumpur war er von 1982 bis 1986 Stellvertretender Politischer Berater in der Britischen Militärregierung von Berlin.
Von 1986 bis 1990 arbeitete er zunächst als Stellvertretender Leiter der Presseabteilung, anschließend der Südamerika-Abteilung des britischen Außenministeriums. 1990 wechselte er als Botschaftsrat (politische Angelegenheiten) der britischen Delegation bei der NATO nach Brüssel, 1995 wurde er zum stellvertretenden Missionsleiter an der britischen Botschaft in Prag ernannt. 1998 kehrte er nach London zurück und leitete bis 2001 die EU-Abteilung (bilaterale Angelegenheiten) im britischen Außenministerium.
Seit März 2001 ist Jeremy Cresswell Gesandter und damit stellvertretender Missionsleiter an der britischen Botschaft in Berlin. Verheiratet mit einer gebürtigen Heidelbergerin, zwei Kinder.