Veranstaltung am 4. Dezember 2010
Sein Vermögen wird auf über eine Milliarde Euro geschätzt. Dennoch ist er nicht auf den internationalen Jet-Set-Plätzen der Reichen und Schönen zu finden. Stattdessen brennt er für eine Idee, die er in den Köpfen der Menschen in unserem Land verankern möchte: Alle sollen ein Grundeinkommen von 1000 bis 1 500 Euro vom Staat erhalten – und es soll daran keine Bedingung geknüpft sein. Für diese Idee reist er seit Jahren durch die Lande, hält Vorträge, steht vor Kameras und Mikrofonen, schreibt Bücher, finanziert Umfragen und lässt Wissenschaftler seine Ideen testen: Professor Götz W. Werner ist einer der ungewöhnlichsten und erfolgreichsten Unternehmer Deutschlands.
Werner ist überzeugter Anthroposoph. Arbeitende Menschen als Humankapital zu bezeichnen, deren Leistungsmotivation durch Angst bestimmt wird, würde ihm nicht in den Sinn kommen. Er glaubt an die Persönlichkeitsentwicklung durch kreatives, selbstbestimmtes Arbeiten, das von Seiten der Betriebsführung durch Vertrauen und Respekt gekennzeichnet ist. Dass diese Unternehmensphilosophie sich nicht nur erfolgreich am Markt behaupten kann, sondern den Konkurrenten gegenüber auch überlegen ist, hat Werner mit seiner dm-Drogeriemarktkette bewiesen.
Götz W. Werners Vision vom Bedingungslosen Grundeinkommen fußt auf der Erkenntnis, dass die technologische Entwicklung mit einer immer höheren Produktivität das Ziel der Vollbeschäftigung illusorisch erscheinen lässt. Jedem Bürger und jeder Bürgerin soll deshalb von Geburt an bedingungslos ein Grundeinkommen ausbezahlt werden. Es soll so bemessen sein, dass es nicht nur die bloße Existenz sichert, sondern darüber hinaus auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Im Gegensatz zu den heutigen Transfersystemen wird es ohne Prüfung der Bedürftigkeit und damit unabhängig von Alter, Einkommen, Familienstand oder Beschäftigungsstatus ausbezahlt. Ein Zwang, arbeiten zu gehen, ist damit nicht verbunden.
Der oft entwürdigende Gang zu den Sozialbehörden entfällt. Alle bisher bezahlten Transferleistungen werden in dem Grundeinkommen gebündelt. Die gewaltigen Behördenapparate werden abgebaut, die dort beschäftigten Menschen können in anderen, bisher unterbesetzten und vernachlässigten Bereichen ( z.B. Altenpflege, Erziehungs- und Bildungswesen) Arbeit finden, wenn sie dies wünschen.
Visionäre haben seit Menschenbeginn Gegenwind und massive Kritik erfahren.
Beim Bedingungslosen Grundeinkommen konzentriert sie sich auf folgende Punkte: Wird die Wirtschaft noch genügend Arbeitskräfte finden? Wer wird die unangenehme Arbeit dann noch erledigen wollen? Müssen wir mit diesem attraktiven Angebot nicht mit einer massiven Zuwanderung rechnen? Schließlich: Wie soll das alles bezahlt werden? Allein durch eine extrem hohe Konsumsteuer – die den Menschen gleichzeitig wieder einen Gutteil des Geldes wegnimmt? Und: Wenn alle anderen Steuern wegfallen, profitieren dann nicht Unternehmer und Reiche im Übermaß und macht die ohnehin ungerechte Vermögens- und Einkommensverteilung noch ungerechter?
Götz W. Werner wehrt sich mit Erfolg. Seine jahrelange Überzeugungsarbeit trägt Früchte, immer mehr Deutsche kennen die Idee und stehen ihr positiv gegenüber. Zudem schafft die gegenwärtige gesellschaftliche Krise eine Grundstimmung, die neuen Horizonten gegenüber aufgeschlossen ist. Wir freuten uns, das Für und Wider dieser gesellschaftspolitischen Vision mit Götz W. Werner in Gödelitz selbst erörtern zu können.
zur Person Götz W. Werner:
Geboren 1944 in Heidelberg als fünftes Kind einer Drogistenfamilie. Handelsschule und Mittlere Reife. Von 1961 bis 1964 Drogistenlehre. Danach erwarb er sich eine gründliche Berufspraxis in verschiedenen Handelsunternehmen. 1968 trat er in das elterliche Drogeriegeschäft in Heidelberg ein. Nachdem das Familienunternehmen Insolvenz anmelden musste, wechselte er zur Karlsruher Großdrogerie Idro der Firma Carl Roth. Nach der Reorganisation des Vertriebs schlug er der Geschäftsführung auch die Einführung des Discounter-Prinzips vor, jedoch mit einer kompetenten Kundenberatung. Da seine innovativen Ideen abgelehnt wurden, verließ Götz Werner seinen Arbeitgeber und machte sich mit der Gründung des dm -Drogeriemarktes selbständig. Das Unternehmen, das er 35 Jahre leitete, ist heute nach Schlecker die zweitgrößte Drogeriemarktkette. Sie beschäftigte 2009 über 33 000 Mitarbeiter in 2 221 Filialen in Deutschland und zehn weiteren europäischen Ländern mit einem Jahresumsatz von über fünf Milliarden Euro.
2003 wurde er zum Professor ernannt und leitet seither das Interfakultative Institut für Entrepreneurship am Karlsruher Institut für Technologie. 2008 zog er sich völlig aus der operativen Geschäftsführung zurück und wechselte als Gesellschafter in den Aufsichtsrat.
Im August 2010 brachte er seine Unternehmensanteile in eine gemeinnützige Stiftung ein.
Werner, der in zweiter Ehe verheiratet ist und sieben Kinder hat, will bei dm keine dynastischen Verhältnisse.
Werners Erfolg hat mit seiner Energie – 1963 brachte er es im Rudersport zum Deutschen Meistertitel im Doppelzweier – seiner unternehmerischen Fantasie, seiner Offenheit für Neues und seiner Überzeugung als Anthroposoph zu tun. Frühzeitig wendete er ein betont unautoritäres Führungskonzept an, intern als “Dialogische Führung” bezeichnet, das die Persönlichkeitsentwicklung der Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellt und durch Vertrauen und Respekt ihre Kreativität anspornen will. In seinen Mitarbeitern sieht er keine Personalkosten, sondern Kreativposten, die ein Mitarbeitereinkommen beziehen. In dem lernenden Unternehmen sind alle Mitarbeiter fest angestellt, beziehen übertarifliche Gehälter samt Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld etc. Die Lehrlinge, bei dm “Lernlinge” genannt, absolvieren während ihrer Ausbildung zwei Mal ein achttägiges Theaterprojekt. Mit Unterstützung von Profis sollen sie dadurch Team – und Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, lernen.
Werner fördert kulturelle und soziale Projekte wie den Hermann-Hesse-Preis, ein Tageszentrum sowie eine Zufluchtsstätte für Straßenkinder in Alexandria, Ägypten als auch kostenlose Musikkurse für Kinder. Götz W. Werner wurde mit zahlreichen Auszeichnungen und Preisen bedacht. Unter anderem erhielt er für sein Lebenswerk 2003 den Fairness-Ehrenpreis der Fairness-Stiftung. Das Lehrlings-Ausbildungskonzept prämierte 2004 die IHK-Stuttgart mit dem Innovationspreis Ausbildung. Im selben Jahr wurde Werner mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet, 2008 erhielt er das Bundesverdienstkreuz I. Klasse. 2005 ehrte ihn der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater mit dem Manager Award und dem erstmals vergebenen Bayreuther Vorbildpreis . 2008 zeichnete ihn die Unternehmensberatungsfirma Ernst & Young als Unternehmer des Jahres 2008 aus.