Lichtbilder

Erstmalig werden Fotografien gezeigt. Zwar sind bereits in den Ausstellungen „Digit-Art” von Thomas Wendt Fotos zu sehen gewesen. Diese aber waren „nur” das Ausgangsmaterial für einen Prozess, in welchem der Künstler am Computer daraus neue Bilder schuf. Diesmal sind unbearbeitete, nicht arrangierte Fotografien zu sehen.

In ihrer Gödelitzer Ausstellung zeigt uns Uta Protzmann Bilder aus Deutschland, Russland, Polen. Auch darum passt diese Präsentation gut nach Gödelitz. Zu den Wirkfeldern dieses Bürgervereins gehört auch ein „deutsch-polnisches Forum”, gehören auch „deutsch-russische Biografiegespräche”.

Auf den ersten Blick meint man auf den großformatigen Fotografien von Uta Protzmann lediglich Alltägliches, Unspektakuläres, Nebensächliches, Bruchstückhaftes, Unwichtiges zu sehen – vergilbte Werbung, ein verfallendes Haus, ein überflüssig gewordenes Denkmal…

Lenin, Sankt Petersburg

Lenin, Sankt Petersburg

Derartige Motive und ihre ungeschönte Darstellung wirken auf den Betrachter wie von gestern, unwirklich, rätselhaft. Die Fotos können uns verstören und zum Fragen und Nachdenken anregen. Was soll diese fremd wirkende Sicht auf alltägliche Dinge? Was will die Künstlerin ausdrücken? Was sieht sie, was sehe ich auf diesen Bildern? Welche Empfindungen habe ich beim Anschauen? Welche Gedanken kommen mir in den Sinn?

Auflösung, Pankow 2010

Auflösung, Pankow 2010

Uta Protzmann sagt über ihre Arbeit: „Ich möchte mit meinen Bildern zeigen, dass wir nicht alles verstehen. Aber wenn wir das, was wir sehen können, genauer betrachten, gelangen wir zu Erkenntnissen, die uns über das Gesehene hinaustragen.”

Ihre Bilder verweigern sich dem nur flüchtigen, schnellen, oberflächlichen Blick. Sie verlangen ein nachdenkliches Verweilen, ein bewusstes Sehen, ein Betrachten.

Der Volksmund sagt zu Recht „Sehvermögen ist eine Fähigkeit, Sehen eine Kunst”.

Und ein solches Sehen ist immer auch Denken, Nachdenken und Bedenken.

Wahrscheinlich meinte Johann Wolfgang von Goethe ähnliches mit seiner Formulierung „Man sieht nur das, was man weiß.”

Uta Protzmann lädt uns zu diesem denkenden Sehen, diesem nachdenklichen Betrachten ein, wenn sie über ihre Arbeit schreibt:

„ Mich reizen Bruchstücke, die nicht genau zu deuten sind…Durch absichtliches oder in Kauf genommenes Verwischen von Bedeutung wird die Wirklichkeit entdeutet und damit frei für eigenes Sehen – und dessen Folgen…Es entstehen vielfältige Möglichkeiten der Interpretation von dem, was ich sehe und zeige.”

 

Psst. Jelenia Goora 2004

Psst. Jelenia Goora 2004

Nehmen wir diese Einladung zum eigenen Sehen und eigenen Deuten an. Schöpfen wir die Vielfalt an Interpretationsmöglichkeiten aus. Verweilen wir vor ihren Bildern. Halten wir inne in der Hektik unseres Alltags. Schauen wir genau hin.

Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Werden und Vergehen, zwischen Dauer und Wandel, zwischen Melancholie und Trauer, zwischen Verfall und Hoffnung.

Diese Spannungen sind ja nicht nur Inhalt und Wirkmöglichkeit der gezeigten Fotos, sie sind wahrscheinlich auch Teil unseres Lebens.

Märchenwald, Harz 2009

Märchenwald, Harz 2009

Uta Protzmann will und kann uns ermutigen zu größeren Freiräumen für unsere Gedanken und unsere Phantasie, für das rationale und emotionale Nachspüren unserer Empfindungen und Vorstellungen, unserer Erfahrungen und Erkenntnisse, unserer Wünsche und Sehnsüchte im Hinblick auf uns, unsere Umwelt, unsere Mitwelt, unsere Nachwelt, im Hinblick auf ein gutes Leben und eine gute Gesellschaft.

Weil das ost-west-forum Gut Gödelitz ein Ort des verantwortungsvollen Nachdenkens und Diskutierens über eine gute Gesellschaft und unser eigenes Engagement dafür sein möchte, auch darum passen die Bilder von Uta Protzmann gut hierher.


 

Biografie Uta Protzmann:

1972 in Schlema geboren, wächst sie zunächst im Erzgebirge, dann in Angola und schließlich in einem Dorf an der Elbe bei Meißen auf.
2003 schließt sie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder ihr Studium für Afrikanistik, Geschichte und Kulturwissenschaften ab.
Während der Studienzeit weilt sie mehrmals zu Aufenthalten in Sankt Petersburg, auch als Stipendiatin der Robert-Bosch-Stiftung. Sie fotografiert und schreibt bei verschiedenen Kongressen.
Danach ist sie zwei Jahre in Berlin in einem Heim für traumatisierte Flüchtlinge tätig, als Dolmetscherin und Fotografin.
2004 erwirbt sie in Berlin an der Volkshochschule ein „Zertifikat für künstlerische Fotografie”. Dem schließt sich ein einjähriger Besuch der Ausbildungsklasse Fotografie bei Imago Fotokunst Berlin an.
Im folgenden Jahr absolviert sie an der Akademie für Kultur und Bildung Berlin einen Kurs „Marketing für Dienstleistungen und Kultur”.
2009 und 2010 arbeitet sie am Projekt „Künstlerführer Pankow’ mit, in der Redaktion, im Lektorat und als Fotografin.
Seit 2010 ist sie beim Verein „KinderKulturFörderung” in Berlin beschäftigt im Bereich veranstaltungsbegleitende Fotografie und Büroassistenz.
2011 war sie zugleich Meisterschülerin bei Arno Fischer an der Ostkreuzschule für Fotografie.