Sächsische Zeitung – Menschenrechtler bis heute

Friedrich Schorlemmer, 1944 in Wittenberge als Pfarrerssohn geboren, wächst als Außenseiter auf, weil er als einziger seiner Schulklasse nicht in der FDJ ist. Als Pazifist verweigert er den Wehrdienst und studiert evangelische Theologie. 1970 wird er Pfarrer arbeitet zunächst als Studentenpfarrer in Merseburg, dann von 1978 bis 1992 als Dozent am Evangelischen Predigerseminar und Prediger an der Schlosskirche in Lutherstadt Wittenberg. 1983 lässt er im Lutherhof zu Wittenberg ein Schwert zur Pflugschar umschmieden und macht damit Erich Mielke wütend. Als Bürgerrechtler setzt sich Schorlemmer aktiv für Frieden, Ökologie und demokratischen Wandel in der DDR ein.

Sein Dasein als Bürgerrechtler beschränkt sich nicht auf die Zeit bis 1989. Er ist es immer noch. Demokratie lebe von der Einmischung, so der 69-Jährige. Sein Rückblick auf die DDR fasst er mit den Worten zusammen: „Die Diktatur hat mutigere Leute hervorgebracht als heute“ – und erntet dafür Beifall. „Ich habe Einmischung bis zum 45. Lebensjahr geübt und habe es auch so weitergemacht“, beschreibt er seinen Weg. In der DDR ist es 1989 um eine freiheitliche und solidarische Gesellschaft gegangen. Darum geht es Schorlemmer noch immer. Am Herzen liegt ihm die Frage nach Gerechtigkeit vor dem Hintergrund der zunehmenden Schere zwischen Arm und Reich. „Lüge, Anpassung und Wegschauen, gesellschaftspolitische Apathie, all das, was die DDR zum Glück an ihr Ende trieb – es lebt auf und wird übermächtig in heutiger westlicher Demokratie“, stellt er fest.

Seine differenzierte Betrachtung der Geschehnisse tragen dazu bei, die DDR nicht auf Staatssicherheit und Freiheitsentzug zu reduzieren. Die nostalgische Verklärung liegt ihm ebenso fern. Gerade deshalb ist das Buch lesenswert und ein Wissensgewinn. Schorlemmer ist ein sprachmächtiger Redner und versteht es, seine Zuhörer zu faszinieren. Und so bestärkt er glaubhaft darin, dass klar zu sehen und doch zu hoffen, sich nicht ausschließen.