Von Januar bis März 2014 war in Gödelitz die 26. Kunstaustellung unter dem Titel “Kinderwelt(en)” mit Werken der Dresdener Malerin und Grafikerin Constanze Hohaus zu sehen.
Das Glück jedes einzelnen Kindes ist ein zentrales Anliegen der Künstlerin und vierfachen Mutter Constanze Hohaus. Der große Physiker und Mensch Albert Einstein hat eine derartige Haltung einmal so formuliert: „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“
Begrüßung und Laudatio von Prof. Dr. Wendelin Szalai
Liebe Mitglieder und liebe Freunde des ost-west-forum Gut Gödelitz, verehrte Gäste, meine Damen und Herren,
unser Bürgerverein eröffnet heute seine 26. Kunstausstellung. In dieser sind Arbeiten der Malerin und Grafikerin Constanze Hohaus zu sehen. Die Künstlerin ist heute unter uns.
Liebe Frau Hohaus, seien sie herzlich willkommen in Gödelitz.
Constanze Hohaus ist 1967 in Dresden geboren. An der Medizinischen Akademie Dresden hat sie die Fachschule für Physiotherapie absolviert und einen Beruf erlernt, der nah am Menschen dran ist und durch Helfen geprägt wird.
Neben ihrer beruflicher Tätigkeit und danach neben ihren familiären Aufgaben als Hausfrau und Mutter – Frau Hohaus ist verheiratet und Mutter von vier Mädchen – findet sie Zeit für ihr Hobby, die Malerei.
Dieses Hobby betreibt sie mit Leidenschaft, Fleiß und Begabung. Zwei Dresdener Maler unterstützen und fördern sie dabei, der eine als Kursleiter, der andere als Mentor. So wird über einige Jahre hin die Autodidaktin eine erfolgreich arbeitende bildende Künstlerin, die akademisch ausgebildeten in nichts nachsteht. Seit dem Jahr 2000 ist Constanze Hohaus freischaffend. Sie ist Mitglied im Künstlerbund Dresden.
Ihrer Heimatstadt Dresden ist sie eng verbunden, und so heißen ihre ersten Bilderzyklen nicht zufällig „Nach der Flut“ und „Engel über Dresden“. Ihre intensive Beschäftigung mit Prohlis, einem Dresdener Stadteil mit einer großen Plattenbausiedlung aus DDR-Zeiten und mit zahlreichen sozialen Problemen vor allem nach der Wende findet ihren Niederschlag in einer Bilderreihe mit dem Titel „AnGesicht“. Diese Arbeiten sind Teil unserer neuen Ausstellung.
Ich komme auf sie zurück.
Heimatliebe paart sich bei Constanze Hohaus mit Weltneugier und Fernweh. Ihre Malreise durch die Bretagne hat als künstlerisches Ergebnis eine thematische Bilderreihe. Ein Aufenthalt in Namibia findet seinen künstlerischen Nachhall in der Bilderserie „Gesichter Afrikas“. Als die Malerin im Frühjahr 2013 eine ihrer Töchter in Indien besucht, die dort eine Zeit lang an einer Schule arbeitet, beschäftigt sie sich mit diesem großen Land, seinen Schönheiten und Kulturen, mit seinen Menschen. Dabei interessiert die vierfache Mutter das Schicksal der Kinder ganz besonders und findet in zahlreichen Bildern seinen künstlerischen Ausdruck. Wir sehen diese Arbeiten ebenfalls in unserer neuen Ausstellung.
Auch darauf komme ich noch zu sprechen.
In Gödelitz zeigt uns Constanze Hohaus Figuren und Porträts. Sie hatte das Malen mit Stilleben und Genrebildern begonnen und sich erst spät der Figur und dem Porträt zugewandt, obwohl ihr doch als studierte Physiotherapeutin der menschliche Körper besonders vertraut ist. Weshalb wendet sie sich also so spät seiner künstlerischen Darstellung zu?
Ich vermute, dass dies an ihrem ausgeprägten künstlerischen Verantwortungsgefühl liegt. Sie will mit all ihren Bildern etwas Bestimmtes ausdrücken, sie möchte immer eine Botschaft vermitteln. Das ist bei moderner Kunst ja durchaus nicht immer so, nicht selten sogar die Ausnahme. Und aus dieser inneren Verantwortung heraus stellt sie an den Inhalt und an die Gestaltung ihrer Bilder sehr hohe Ansprüche. Erst wenn sie sich diesen Ansprüchen gewachsen fühlt, sich dafür reif hält, wendet sie sich diesen Inhalten und ihrer adäquaten künstlerischen Gestaltung zu.
Constanze Hohaus ist und bleibt im Prozess ihrer ständigen künstlerischen Entwicklung eine Sucherin. Sie sucht das Schöne, das Wichtige, das Lebenswerte daheim und in der Fremde. Sie sucht die dafür geeigneten künstlerischen Ausdrucksformen. Eine Konsequenz dieses Suchens: Sie wird Gründungsmitglied der Künstlerinnengruppe „Farbfinder“. In dieser haben sich vier befreundete Malerinnen zu einem inspirierenden Erfahrungsaustausch zusammen geschlossen. In unserer vorigen Ausstellung haben wir aus dieser Gruppe bereits Petra Schade kennen gelernt.Und in unserer nächsten Ausstellung, die ab März zu sehen sein wird, werden wir Bekanntschaft mit der Malerin Christine Grochau machen
Farben sprechen an. Sie stimulieren, die Maler und die Bildbetrachter. Die vier Farbfinderinnen der gleichnamigen Gruppe stellen die Farbe in den Mittelpunkt ihres Schaffens. Sie suchen ihr Verhältnis zur Farbe und finden es gemeinsam und zugleich ganz individuell. Die farbige Komposition eines Bildes kann einen Eigenwert besitzen.
Also, Malkunst kann durchaus auch gegenstandslos beziehungsweise abstrakt sein.
Ich habe die Künstlerin gebeten, einige kleine ungerahmte Grafiken, darunter schöne Farbholzschnitte, nach Gödelitz mitzubringen und sie zum Verkauf anzubieten. Sie finden diese signierten und preisgünstigen kleinen Kunstwerke auf einem Tisch im Eingangsbereich. Sie können diese kaufen, um sich selbst etwas Besonderes zu gönnen oder einem lieben Menschen ein schönes und unverwechselbares Geschenk zu machen.
Darum meine Empfehlung: Schauen Sie sich beim Hinausgehen unbedingt diesen Tisch an.
Für unsere 26. Kunstausstellung jedoch hat Constanze Hohaus Malerei ausgewählt, Ölbilder zum Thema „Kinderwelt(en)“. Bei einem Atelierbesuch hat sie mir diese Wahl und ihren Verzicht auf schöne Stilleben und auf große Farbholzschnitte vehement und überzeugend so begründet: Das Thema Kinder, die Entwicklungsmöglichkeiten von Kindern, ihre Lebensbedingungen, ihre Bildungs- und Aufstiegschancen liegen ihr besonders am Herzen. Sie möchte mit ihren Bildern auf Defizite hinweisen, die sie auf diesen Gebieten sieht. Das können Defizite sowohl in der Politik als auch in unserem eigenen alltäglichen Verhalten sein.
Constanze Hohaus hat für ihre Ausstellung im ost-west-forum Gut Gödelitz aus ihrem thematisch inzwischen recht umfangreichen Schaffen bewusst sozialkritische Kinderbilder ausgewählt, weil sie die Philosophie unseres Bürgervereins kennt, teilt und unterstützt.
Unser Bürgerverein engagiert sich für den Erhalt und die Ausgestaltung einer leistungsfähigen, friedensfähigen, zukunftsfähigen Gesellschaft. Und in einer solchen Gesellschaft muß es soziale Gerechtigkeit geben.
Der Generalschlüssel für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft aber sind ihre Kinder, ist das Glück dieser Kinder. Und zur sozialen Gerechtigkeit einer Gesellschaft gehört unbedingt auch die Bildungs- und Chancengerechtigkeit für die alle ihre Kinder.
Schauen wir uns an einigen Beispielen die Bilder unserer neuen Ausstellung und ihre Malweise etwas genauer an:
Mit expressivem Farbeinsatz und ebenso expressivem Pinselstrich malt Constanze Hohaus Kinder in Indien. Meist wird vor Ort und am Modell mit einem Stift skizziert. Daheim im Atelier erfolgt dann die malerische Gestaltung, meist in Ölfarbe. Auf fotografische Genauigkeit wird bewusst verzichtet. Alles ist der beabsichtigten Aussage untergeordnet.
Die Kinder Amu und Arun haben Glück: Sie besuchen dieselbe private katholische Schule für Behinderte, an welcher auch die Tochter der Malerin vorübergehend helfend und betreuend gearbeitet hat. Ihre Bildungschancen sind gut. Aufgeweckt und neugierig, ernst und nachdenklich schauen diese Schüler von ihren Büchern auf – und uns fragend an. Sie haben Glück, weil in Indien die Bildungschancen für behinderte Kinder besonders schlecht sind.
Gib mir |
Dann gibt es Bilder mit solchen Titeln wie „Leben auf der Straße“, „Die andere Kindheit“ und „Gib mir“. Sie machen auf das schwere Los sehr vieler anderer Kinder in Indien aufmerksam. Armut zwingt sie zum Betteln und macht systematischen Schulbesuch unmöglich. Ihre Bildungs-, Ausbildungs- und Aufstiegschancen sind gering.
Am Gemälde „Mädchen mit dem blauen Punkt“ kann man sehen, wie Constanze Hohaus mit der Farbigkeit experimentiert, wie sie Farbe gezielt für den beabsichtigten Ausdruck einsetzt:
Vor einem hellen blau-grün-violetten Hintergrund hebt sich kontrastreich die dunkelblau-rotbraune Figur ab. Sie wird durch das markante gelbe Tuch gestützt und räumlich nach vorn gerückt. Den titelgebenden kleinen blauen Punkt müssen wir vielleicht erst suchen. Zusammen mit dem großen gelben Tuch aber gibt er Plastizität und schafft in der Fläche Raum. Der nachdenkliche Blick der großen dunklen Augen zieht die Betrachter an.
Das Mädchen wirkt eher erwachsen als kindlich. Wahrscheinlich ist seine Kindheit frühzeitig zu ende gegangen.
Die Botschaft der Kinderbilder aus Indien lautet: In ein und demselben Land, gibt es verschiedene Kinderwelten, mehr glückliche und mehr unglückliche.
Und wie verhält es sich mit der Kinderwelt in Deutschland, in Dresden, in Prohlis?
Obdachlose Kinder, die betteln müssen um leben zu können, gibt es hier Gott sei Dank nicht. Aber haben wir deshalb bei uns bereits die eine Kinderwelt, die Welt der behüteten glücklichen Kinder?
Die Bilder von Constanze Hohaus verneinen das. Ein Bildtitel wie „Die vergessenen Kinder“ ist bewußt kritisch und anklagend. Farbwahl und Formgestaltung unterstützen eine derartige Aussage.
Die vergessenen Kinder
In einer Mischung von abstrakter und gegenständlicher Malerei schauen uns – wie in einer Dornenhecke gefangen – Kindergesichter an. Kindliche Fröhlichkeit fehlt in ihnen. Wahrscheinlich sind diese Jungen und Mädchen nicht sehr viel glücklicher als die indischen Straßenkinder.
Raum und Mensch durchdringen sich in diesen Bildern, werden in einer Überschichtung gemalt. Die Kindergesichter wirken wie in den Raum hineingeschoben – und aus der Dornenhecke ernst und fragend herausschauend. Alles ist in kühlen Blau- und Grautönen gehalten. Diese Bildgestaltung verstärkt die Aussagentiefe und drückt den beabsichtigten sozial-kritischen Aspekt aus.
Die Prohlis-Bilder von Constanze Hohaus sagen: Auch im reichen und wirtschaftlich erfolgreichen Deutschland existieren verschiedene Kinderwelten gleichzeitig und nebeneinander, eher glückliche und eher unglückliche.
Übertreibt die Malerin vielleicht?
Armut hat in unserem Land gewiss ein anderes Gesicht als in Indien. Aber es gibt sie.
„Der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft ist in Deutschland erschreckend hoch.“ So lautet eine Aussage im aktuellen „Chancenspiegel“, den die Bertelsmann Stiftung“ 2013 erhoben hat:
Wer bei uns sozial schwach ist, der ist meist auch schulisch schwach. Bildungschancen, berufliche Chancen, Aufstiegschancen, Lebenschancen sind auch in Deutschland ungerecht verteilt. Erlebte Ungerechtigkeiten aber waren und sind immer eine Quelle für das Unglücklichsein von Kindern. Charles Dickens hat dies schon vor rund 150 Jahren so ausgedrückt: „Kinder erleben nichts so scharf und bitter wie Ungerechtigkeit.“
Auf derartige Defizite an Bildungsgerechtigkeit und damit auch an Chancengerechtigkeit für Kinder macht Constanze Hohaus mit ihren Kinderbildern aufmerksam.
Darum passt die Ausstellung „Kinderwelt(en)“ gut zu unserem Bürgerverein.
Ich wünsche uns nachdenkliche, anregende, ermutigende Gedanken und Gespräche vor den , zu den und mit den Bildern unserer 26. Kunstausstellung.
Biografie Constanze Hohaus:
• 1967 in Dresden geboren
• 1983-1986 Fachschulstudium Physiotherapie an der Medizinischen Akademie
• Zwischen 1990 und 1998 werden drei Töchter geboren
• Kurse an der PH-Dresden bei Siegfried Sack, verstärkte Zuwendung zur Malerei
• Ausbildung durch den Mentor Siegfried Adam / Maler + Grafiker, Dresden seit 2000
• Beginn der Arbeit als freischaffende Künstlerin
• Seit 2002 Mitglied im Künstlerbund
• Entstehung der Zyklen „Nach der Flut“, „Löbtau“ und „Engel über Dresden“
• 2005 Geburt einer vierten Tochter
• Februar 2007 Aufenthalt in Namibia, Grundlage für die umfangreiche Bilderserie
„Gesichter Afrikas“
• Seit 2008 Leitung des Schülerzeichenzirkels „Atelier 76“
• Gründungsmitglied in der Künstlergruppe „Farbfinder“(Nov. 2008)
• 2008 -2009 Verarbeitung von Eindrücken und Beobachtungen in Dresden –Prohlis und
Umsetzung in die Bilderserie „AnGesicht“
• 2009 Projekt zu einer Wallfahrt in der Bretagne „Pardon de Loc Ildut“
• seit 2010 Arbeit an dem Thema „Barock in Dresden“, der Farbholzschnitt wird zu
ihrer wichtigsten künstlerischen Ausdrucksform
Ausstellungen, Ausstellungsbeteiligungen:
2002 Marcolini-Palais Dresden
2004 Stadtarchiv Dresden
2005 Galerie Forststraße
2006 Zahnärztekammer Dresden
Praxisklinik Marcolinisches Vorwerk
2007 Herzzentrum Dresden
Teilnahme am Projekt „Festtafel Künstlerinnenrunde“ der Kreativen
Werkstatt Dresden e.V.
2008 Afrikahaus/Heimatmuseum Sebnitz
2009 Leibnitz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung
2010 Ehe-, Familien- und Lebensberatung im Bistum Dresden-Meißen
Volkshochschule Radebeul
Evangelische Akademie Meißen
„Galerie 2.Stock“ Rathaus Dresden
2011 Bischof Benno Haus Schmochtitz
Physiotherapie Heyne Cemnitz
Teilnahme Grafikmarkt Radebeul
2012 Teilnahme Kunstmesse Dresden,
Grafikmarkt Radebeul
Dresdener Graphikmarkt
2013 Teilnahme Kunstmesse Dresden
Kreative Werkstatt Dresden
Teilnahme Grafikmarkt Meissen, Radebeul und Dresden
Johannstadthalle Dresden
Marcolini-Palais Dresden
Ständehaus Dresden
Kontakt:
www.constanze-hohaus.de
post@constanze-hohaus.de