Gut Gödelitz: Mark Anderson über sein Amerika-Bild, von Natasha G. Allner, 01.06.2015
Gödelitz. “Zwischen Grundvertrauen und Krise – Die Vereinigten Staaten und wir”: Unter diesem Motto referierte am Sonnabendabend Mark Anderson im Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz. Der Professor der Columbia University New York zeichnete dabei ein sehr privates Bild von seinem Heimatland und betonte immer wieder, dass er nicht als Politiker, sondern als der Sprache und Literatur verschriebener Mensch für “differenziertere Betrachtung und faires Miteinander” eintrete. Der vor kurzem 60 Jahre alt gewordene Amerikaner spricht vier Sprachen und lebt unter anderem in Deutschland und Italien, derzeit ist er für ein Jahr in Berlin tätig. In seinen Kursen und im Diskurs mit anderen Amerikanern versuche er seit langem dem Bild des “humorlosen, todernsten und zu effizienten Deutschen” entgegenzutreten: “Es gibt viel Angst und zahlreiche Vorurteile.” Aber auch die Deutschen sollten bei der Betrachtung “des Amerikaners” keine Verallgemeinerungen treffen, sondern “vom Einzelfall ausgehen”.
Als er ein Kind war, zogen seinen Eltern mit ihm mehrfach um, vorrangig in gut aufgeräumte Vororte, um “den amerikanischen Traum zu verwirklichen”. Dort gab es keine Afroamerikaner, keine Latinos: “Es gab das Gefühl des Behütetseins und der großen Freiheit. Wir nahmen Herkunft und ethnische Unterschiede wahr, aber nie als Abgrenzung. Es gab kein Bewusstsein für soziale Klassen.” Amerikaner gingen “der Arbeit und den Möglichkeiten des Lebens nach”. Diese Mobilität werde genossen, führe aber auch zu Leiden: Denn häufig gebe es “kein Zuhause”. Eine solche Offenheit berge eben auch ein Risiko: “Eine Flexibilität, die isoliert.”
Nach Ansicht Andersons diskutierten Amerikaner neutral über Geheimdienste, weil sie nie eine Diktatur erleben mussten. Viele seiner Landsleute hätten die USA nie verlassen, es gäbe Politiker ohne Reisepass. Das Land werde unbegrenzt wahrgenommen, dass scheinbar keine Außenwelt existiere – ein Manko, denn “man kann die Welt nicht verstehen, ohne dass man sie kennt.” Rückblickend habe Mark Anderson das als “goldenen Käfig” und “abgekapseltes Leben” empfunden. Seine persönliche Wende kam mit ungefähr 19 Jahren und seinem Studium in Europa.
Im Vorfeld des Vortrags eröffnete Wendelin Szalai die 32. Kunstausstellung im Ost-West-Forum. Gezeigt werden mit spezieller Technik gefertigte “Klangzeichnungen” des Grafikers Klaus Fiess.