Döbelner Allgemeine Zeitung – Bitteres Fazit auf Gödelitz

Fehler des Westens: Nahost Experte Michael Lüders erklärt im Ost-West-Forum Ursachen der Flüchtlingskrise und des islamistischen Terrors

17.5.2016 von Dirk Wurzel

Gödelitz. Die Stühle reichten (mal wieder) nicht aus am Sonnabend auf Gut Gödelitz. In der Vortragsreihe des Ost-West-Forums hatte sich Dr. Michael Lüders, Islamwissenschaftler, Autor und Vorsitzender der Deutsch-Arabischen Gesellschaft angekündigt um unter dem Titel „Wer den Wind sät – was westliche Politik im Orient anrichtet“ unter anderem über die Ergebnisse der Interventionen, auch jene militärischer Natur, im Orient zu berichten. Flüchtlingskrise, Terrorismus, Islamischer Staat. „Vor seinem Vortrag habe ich nicht gedacht, dass die Welt schlecht ist. Jetzt weiß ich, dass sie noch viel schlechter ist“, bilanzierte Hausherr Axel Schmidt-Gödelitz die Ausführungen des Referenten. Über 200 Zuhörer hatten sich wohl auch wegen der Brisanz des Titels der Veranstaltung eingefunden, angemeldet waren etwa 160. Was für die Veranstalter Stühle schleppen bedeutete.

„Vor 15 Jahren gab es in Syrien und dem Irak keine islamistischen Bestrebungen. Diese entstanden erst durch Verwerfungen von außen“, sagte Dr. Lüders. Nach seiner Theorie begann es mit dem von den US-Amerikanern betriebenen Sturz des irakischen Machthabers Saddam Husein die Probleme im arabischen Raum. „Er hat den Irak mit eiserner Faust zusammengehalten. Eine sunnitische Minderheit regierte die schiitische Mehrheit“, sagte der Referent, der arabische Literatur in Damaskus sowie Islam- und Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert hat. Neun Jahre lang arbeitete Dr. Lüders für die Wochenzeitung „Die Zeit“ als Nahost-Redakteur. Jetzt ist er als selbstständiger Politikberater tätig. Die von den Amerikanischen Besatzern 2005 initiierten Neuwahlen gewannen denn die Schiiten, die sich an den Sunniten rächten, viele von ihnen aus staatlichen Behörden wie Polizei und Geheimdienst entließen. „Plötzlich hatte man 300 000 Arbeitslose, die alle ihre Waffen mit nach Hause genommen haben“, benannte Dr. Lüders eine Keimzelle der gewaltsamen Auseinandersetzungen, die nach dem Krieg der Amis im Irak begannen. Zu Syrien sagte Dr. Lüders, dass wer nicht die Machtfrage stellte, nach seiner Fasson leben konnte, gleich ob Druse, Christ, Alevit, sunnitischer oder schiitischer Muslim. Der Experte schilderte anschaulich, wie sich seit dem interventionsbedingten Wegfall staatlicher Strukturen Protestbewegungen entstanden, die sich mittlerweile zum Stellvertreterkrieg in Syrien entwickelt haben, in dem Russland und auch der Westen mitmischen. Er ging auf die Scheinheiligkeit ein, mit der die westliche Politik Menschenrechte und Demokratie für bestimmte arabische Länder fordere, für andere aber wieder nicht. Als düstere Folgen dieser Politik nannte Dr. Lüders ein weiteres Erstarken der Rechtspopulisten in Europa, Flüchtlingsströme und Terrorismus. Ein bitteres Fazit.