Professor Joseph Weizenbaum: Die Macht der Computer und Ohnmacht der Vernunft

04.06.2003 – Vortrag und Diskussion

„Warum sind Sie Computerkritiker geworden?“ – fragte vor Jahren ein Journalist den Grandseigneur der Computer-Ära, Professor Joseph Weizenbaum. Seine Antwort lautete: „Das bin ich nicht – ich halte mich für einen Gesellschaftskritiker!“

Der in Berlin geborene, in Amerika am prestigeträchtigen Massachusetts Institute of Technology (MIT) lehrende und forschende Wissenschaftler war tatsächlich einer der Pioniere des Computerzeitalters. Sein Computerprogramm „Eliza“, das einen Psychoanalytiker parodiert, hat ihn berühmt gemacht. Irgendwann aber kam er ins Grübeln, begann er zu zweifeln und beschäftigte sich mit den Schattenseiten dieser revolutionären Erfindung. Mit seinen Warnungen und seiner Kritik – in Büchern, den Medien und in überfüllten Hörsälen formuliert – erregte er weltweites Aufsehen.

Warum, so fragen seine Kritiker, bezeichnet er heute die Vernetzung von Schulen mit Computern als „totalen Unsinn“? Warum sollten Computer, Mail und Internet die „zwischenmenschlichen Beziehungen“ eher austrocknen, da sie doch die modernen Kommunikationsmittel schlechthin sind? Warum sollte die Entwicklung bestimmter grundlegender Fähigkeiten, wie „kritische Intelligenz und Sprachfähigkeit“ behindert werden? Schließen uns die virtuellen Welten des Computers von den sinnlichen Erfahrungen des wirklichen Lebens aus und lassen unsere „Erlebnisfähigkeit“ verkümmern? Und: Begeben wir uns mit den Computern nicht in eine gefährliche „Abhängigkeit von technischen Abläufen“, die kaum mehr von Vernunft und von spontaner Bewertungsfähigkeit des Menschen korrigiert werden können?

Dies sind einige Fragen, mit denen sich Professor Joseph Weizenbaum kritisch auseinandergesetzt hat.

Zur Person:
Joseph Weizenbaum wurde 1923 in Berlin geboren. 1936 emigrierte er mit seinen Eltern in die USA nach Detroit. Er studierte Mathematik und wurde 1963, nachdem er in der Industrie gearbeitet hatte (unter anderem bei der Konzeption des ersten Computer-Banksystems), zum Professor für Informatik am Massachusetts Institute of Technology (MIT) berufen – eine der weltweit angesehensten wissenschaftlichen Hochschulen.

Ein wichtiger Teilbereich der Arbeit war Auftragsforschung für das US-Verteidigungsministerium. Die partielle Geheimhaltungspflicht, aber vor allem der Vietnamkrieg und die amerikanische Bürgerrechtsbewegung haben die kritische Grundhaltung Weizenbaums verschärft und ihn in der Überzeugung bestärkt, dass Wissenschaftler für den Umgang mit den Ergebnissen ihrer Forschung eine ganz persönliche Verantwortung zu tragen haben.

Mit seiner 1966 entwickelten Software „Eliza“ – die (einem Psychoanalytiker gleich) Testpersonen Fragen stellte und diesen die Illusion vermittelte, sie zu verstehen – hat er weltweiten Ruhm erlangt. Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen ist das 1977 erschienene Buch “Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft“ in Deutschland am bekanntesten. Der Suhrkamp Verlag hat es in die demnächst erscheinende Jubiläums-Sonderausgabe der 20 wichtigsten Klassiker des Verlages aufgenommen.