Döbelner Anzeiger – Der Sohn des Nazis: Was bleibt, ist blankes Entsetzen

29. Januar 2007
 


Niklas Frank, Sohn des NS-Generalgouverneurs von Polen, liest im Ost-West-Forum aus seinen Büchern.


Nicht von ungefähr hatten die Organisatoren des Ost-West-Forums am Sonnabend ausgerechnet Niklas Frank, Sohn von Hans Frank, Generalgouverneur von Polen, eingeladen. Am Sonnabend war der UN-Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Der ehemalige Stern-Journalist und Autor Niklas Frank las aus seinen beiden Büchern „Der Vater – Eine Abrechnung” und „Meine deutsche Mutter” und stellte sich anschließend der Diskussion.

 

Abrechnung mit den Eltern


In seinen Büchern rechnet Frank wie kaum ein anderer Abkömmling von Nazi-Größen schonungslos mit seinen Eltern ab. In Bayern geboren, verbrachte Niklas Frank seine Kindheit in Krakau. „Königliche Kindertage” waren es, hoch oben auf der Burg Wawel in Krakau. Er wurde im Fond eines Mercedes vorbei an ausgemergelten Gestalten mit gelben Sternen chauffiert, während sich seine Mutter auf Raubzügen nach Pelzen und Kleidern durch das jüdische Ghetto begab und zeitgleich Hunderttausende Menschen in den polnischen Konzentrationslagern litten und starben.

Als Niklas Frank das ganze Ausmaß der Verlogenheit und Heuchelei des System zu erkennen beginnt, recherchiert er über die Verbrechen seiner Eltern, reist nach Polen, liest die Kriegstagebücher seines Vaters und die Akten des Nürnberger Prozesses.

„Ich wollte alles über meinen Vater erfahren”, sagt Frank. Doch je mehr er über seinen Vater erfuhr, desto verhasster wurde er ihm. Was ihm blieb, sind blankes Entsetzen, Scham und Ekel vor der eigenen Herkunft. Sohn Niklas war sieben Jahre, als sein Vater gehängt wurde. Über die Verbrechen seines Vaters kommt er nicht hinweg. Eine Aussöhnung mit seinen Eltern kann es für ihn nicht geben, sagt er heute.

Nein, auch nach dem Niederschreiben ging es ihm nicht besser, sagt Niklas Frank. „Was bleibt, sind die schrecklichen Bilder, die ich weiterhin im Hirn herumtrage. Ich sehe Berge von ausgemergelten Leichen, die von einem Bulldozer zusammen geschoben werden. Und die Tatsache, dass mein Vater maßgeblich daran beteiligt war.” Diese Erkenntnis ist schmerzhaft.

 

Auch die Mutter ist schuldig


Seine Mutter beschreibt Frank als eine starke Frau, mutig und energisch, rücksichtslos, berechnend und kalt. Auch wenn seine Mutter nicht Mitglied der NSDAP war, unschuldig war sie für den Sohn deshalb nicht. Denn sie wusste um das Leid von Millionen Opfern in Polen, gab sich aber davon unberührt und unpolitisch und führte ein eigensüchtiges und luxuriöses Leben. Das war wichtiger als die Moral. Sohn Niklas hat ihr das niemals verziehen. „Sie wusste, was da falsch läuft”, sagt Frank. „Nach meinen Recherchen war meine Mutter exemplarisch für das Wegschauen der deutschen Frauen im dritten Reich.”

Als Niklas Frank 1987 das Buch über seinen Vater veröffentlichte, wehte ihm Empörung und Abscheu entgegen. Er wurde als „Nestbeschmutzer” bezeichnet. Noch heute hört er den Satz: „Den Frank lädt man nicht ein”.

Franks Intension liegt darin, dass die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auch in der eigenen Familie stattfinden muss. „Wir sollten uns dem Grauen stellen und den Schmerz aushalten, dann entwickelt sich eine Haltung, dass man den Anfängen wehrt und sich nicht blenden lässt”, sagt Frank. Seiner Auffassung nach habe die Gesellschaft die Zeit des Nationalsozialismus nicht aufgearbeitet. Mit Wut und Unverständnis sieht er das Aufmarschieren rechtsextremistischer Gruppen. „Entsetzlich, ich fasse es nicht”, kommentiert Frank diesen Vorgang.

 

Demokratie verteidigen


„Wir hoffen, dass wir genug sind, die Demokratie zu verteidigen“, sagte Vereinsvorsitzender Axel Schmidt-Gödelitz im Anschluss an die Lesung. Ohne in Hysterie verfallen zu wollen, stimme ihn die Resignation vieler Leute nachdenklich. Das Ost-West-Forum bemühe sich, Ursachen- und Warnsignale aufzuzeigen, will aber konkreter werden und dazu beitragen, sich argumentativ gegen neonazistische Gedanken zu wehren.

Von Dagmar Doms-Berger

Niklas Frank: Meine deutsche Mutter, Goldmann-Verlag; 9,95 €, ISBN: 3442153913.
Niklas Frank: Der Vater – Eine Abrechung, Goldmann-Verlag; 10,00 €, ISBN: 3442125006.