Döbelner Anzeiger – Im Spannungsfeld von Orient und Westen

19. Februar 2007
 


Auf großes Interesse stieß der Themenabend „Die Angst des Westens vor dem Islam“ im Rahmen des Gödelitzer Ost-West-Forums. Eingeladen hatte Axel Schmidt-Gödeltiz den Berliner Islamwissenschaftler Michael Lüders. Um mit dem Nahostexperten zu diskutieren und aus dessen fachmännischer Sicht Hintergründe zu erfahren, kamen weit mehr als 200 Besucher in die Alte Schäferei.

Fast anderthalb Stunde referierte der 47-jährige Wissenschaftler frei zum einen über das Verhältnis der Deutschen zum Islam und zur innerdeutschen Situation, und zum anderen über das internationale Spannungsfeld des christlich geprägten Westen zum islamisch geprägten Orient. „Wie soll man den Islam sinnvoll betrachten?“, war die Kernfrage des Abends. „Das Problem ist, dass hier im Land Islam mit Islamismus und demzufolge mit Terror gleichgesetzt wird“, berichtet Lüders aus seiner Erfahrung. Das wirkliche Gesicht der islamischen Welt werde im Westen kaum wahrgenommen. Kritik übte er hierbei an den deutschen Medien wie ZDF und ARD, die dieses falsche Bild vermitteln. „Es gibt keine neutrale Berichterstattung. Negativmeldungen sind vorherrschend“, so Lüders. „Wichtig ist zu verstehen, dass der islamische Fundamentalismus nur eine Facette des Islams ist“, so der Wissenschaftler. Zwei Wurzeln des islamitischen Fundamentalismus führte er auf: Diese Bewegung entstand 1928 im Spannungsfeld zwischen westlichem Imperialismus und Kolonialismus im Orient. Die politischen Verhältnisse, die Regime in den arabischen Ländern selbst, verstärkten die Protestbewegung der sozialen Unterschicht. „Doch eigentlich hatten die Fundamentalisten seit Mitte der 90er Jahre ihren Zenit überschritten. Dann kam der 11. September und die Reaktion der Amerikaner. Neuer Hass wurde geschürt. Noch nie war die Stimmung in den arabischen Ländern so schlecht, die Frustration so groß,“ resümiert der Experte.

Die Publikumsfrage, ob Deutschland irgendwann aufgrund des hohen Anteils türkischer Zuwanderer ein islamischer Staat würde, beantwortete er mit „nein“. „3,2 Millionen Türken leben in Deutschland, das ist eine Minderheit.“ Die hier wohnen, wollten einfach nur ein gutes Leben, da ist er sich sicher.

Von Gabriele Gelbrich