Peter Bender hat als Publizist Geschichte geschrieben. Jetzt war er zu Gast auf Gut Gödelitz.
Herr Bender, Sie stellten ihr Buch „Deutschlands Wiederkehr. Eine ungeteilte Nachkriegsgeschichte 1945 – 1990“ vor. Was meinen Sie mit Wiederkehr?
Man hat nicht recht gewusst, ob es Deutschland zwischen 1949, als die BRD und die DDR gegründet wurden und 1990, als sie sich vereinigten, noch gegeben hat. Wiederkehr bedeutet, dass dieses kaum noch erkennbare Deutschland 1990 wieder da war.
Sie sind nicht der Meinung, dass sich mit der BRD und der DDR zwei unterschiedliche Nationen ausgeprägt hatten.
Mit Sicherheit nein. Das war eine Theorie, die die SED verbreitet hatte, die hat auch in der DDR kaum jemand geglaubt. Ich halte es für gut möglich, dass zwei Nationen entstanden wären, wenn die deutsche Teilung noch einmal vierzig Jahre gedauert hätte.
Sie nehmen für sich in Anspruch, unideologische Geschichtsschreibung zu betreiben. Was verstehen Sie darunter?
Über unterschiedliche Interessen und Ansprüche kann man sich verständigen. Da entsteht Gegnerschaft, vielleicht sogar Feindschaft, das ist ein normales politisches Verhältnis. Ganz anders wird es, wenn Ideologien dazukommen. Sie vergiften die Politik, sie machen aus Gegnern Verbrecher, aus Feinden Teufel. Und sie verhindern, den anderen zu betrachten, wie er ist, richtig zu beurteilen, was er tut.
Setzen nicht die meisten Westdeutschen die alte BRD als Demokratie mit dem Guten gleich und die DDR als Diktatur mit dem Bösen?
Das ist die übliche Betrachtungsweise, die wir 40 Jahre lang mit der Zweistaatlichkeit und der Teilung gehabt haben. In der Politik und Geschichtsschreibung des Westens wurde gedacht, dass in der DDR alles falsch war, weil die Kommunisten dort herrschten. Umgekehrt wurde in der DDR-Politik und der DDR-Geschichtsschreibung gedacht, dass in der BRD nichts richtig werden konnte, weil da Kapitalisten, Revanchisten und getarnte Imperialisten die Politik bestimmten. Ich habe versucht, solche schiefen Bilder in meinem Buch zu umgehen.
Ist es nicht so, dass sich West und Ost in ihrer Melancholie ähneln? Dort will man die alte Zeit ohne die neuen Länder, hier die DDR ohne Kapitalismus.
Diese 40 Jahre nicht nur Teilung, sondern Trennung haben dazu geführt, dass wir uns weit, weit auseinander gelebt haben. Das wirkt nach. Dazu sind bei und nach der Vereinigung Fehler gemacht worden. Die Vereinigung hat sich zu großen Teilen mehr als Machtpolitik denn als brüderlicher Umgang miteinander abgespielt. Da sind Verletzungen entstanden.
Ist es aber nicht so, dass die Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, nur zu bewältigen sind, wenn die innere Teilung überwunden wird?
Ja, da bin ich völlig Ihrer Ansicht. Die innere Einheit ist ein ganz dringendes Gebot. Wenn wir uns darum nicht energisch kümmern, mit viel Verständnis für die jeweils andere Seite, dann wird es nicht nur viel Unzufriedenheit, sondern auch böses Blut im Lande geben, was alle sonstigen äußeren Erfolge in Frage stellen kann. Diese 40 Jahre Trennung haben dazu geführt, dass von einem deutschen Gemeinsamkeitsgefühl nicht mehr viel übrig geblieben ist. Das Schlimmste ist, dass der deutsche Zusammenhalt, die innere Einheit fast kein Thema mehr im Lande sind.
Interview: Udo Lemke
Zur Person
Peter Bender, geboren 1923 in Berlin, war von 1961 bis 1970 Redakteur beim WDR, bis 1988 dessen Berlin-Korrespondent. 1973 bis 1975 war er ARD-Korrespondent in Warschau. Bender gilt als publizistischer Wegbereiter der Ostpolitik Willy Brandts.
Peter Bender: Deutschlands Wiederkehr. Eine ungeteilte Nachkriegsgeschichte 1945 – 1990, Verlag Klett Cotta; 23,50 Euro, ISBN: 3608944664