Döbelner Anzeiger – Rein menschlich: Ein Schlückchen Wodka mit an Bord

6. August 2007
 


Es war der letzte Sonnabendnachmittag in den großen Ferien, kurz vor fünf, als das Fernsehprogramm für eine Nachricht unterbrochen wurde. Am 26. August 1978, um 15.51 Uhr war vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur der erste Deutsche im Raumschiff SOJUS 31 zur Orbitalstation SALUT 6 gestartet: „Unser Sigmund Jähn“, wie es später auf zahlreichen Wandzeitungen in den Schulen zu lesen war.

Inzwischen sind 29 Jahre vergangen. Als der 70-Jährige am Sonnabend den Vortragssaal des Ost-West-Forums auf Gut Gödelitz betrat, wurde ihm schon vor seinem Referat das zuteil, was andere Redner erst nach einem reichlichen Wortfluss bekommen. Die über 200 Zuhörer begrüßten ihn mit Applaus. Die wohlwollende Geste galt wohl einerseits seiner Leistung als Kosmonaut, andererseits – und vor allem – dem Menschen Sigmund Jähn, der sich trotz seiner Rolle als Held der Sowjetunion und der DDR bis heute die Sympathien der Menschen erhalten konnte. Denn Jähn ist weder ein Wendehals, weder Konvertit noch ein Verräter. Er ist Held der DDR, Doktor der Naturwissenschaften und seit 1993 Verbindungsmann der Europäischen Weltraumagentur ESA zum russischen Pendant Roskosmos.

 

Stolperstein Geruchstest


Bildhaft berichtet Jähn über das Auswahlverfahren für den Raumflug. Bereits 1976 als die Salut 6 fertig war, begann das Personalkarussell zu kreiseln. Nur gute Flieger mit guten Russischkenntnissen und Absolventen der russischen Akademie der Wissenschaften kamen in Frage. Von 20 kommen schließlich vier in die engere Auswahl. „Ich war nicht der Wunschkandidat“, sagt Sigmund Jähn mit seinem bekannten Lächeln und beschreibt, dass er wegen eines Geruchstests beinahe durchgefallen wäre. Ein russischer Offizier half etwas nach und hielt ihm Essig unter die Nase. Damit hatte er auch diese Prüfung geschafft.

Hat sich seine Sichtweise auf die Welt nach dem Flug verändert? „Ich bin überzeugt, dass die Welt voller Geheimnisse steckt, die wir nicht verstehen“, sagt Jähn. Dennoch ändert das nicht seine naturwissenschaftliche Sicht auf die Dinge. Er bleibt Atheist und kann den bestehenden Religionen nichts abgewinnen.

 

Mittler zwischen Ost und West


Den Fall der Berliner Mauer erlebte Jähn gemeinsam mit dem BRD-Astronauten Ulf Merbold bei einem Treffen von Weltraumforschern in Saudi-Arabien. Im wiedervereinigten Deutschland tritt er als Mittler zwischen ost- und westeuropäischer Raumfahrt auf und kann seine guten Kontakte zu den Russen geltend machen.

Angesprochen auf den jüngsten Alkoholnachweis bei den amerikanischen Astronauten plaudert Jähn aus dem Nähkästchen und erzählt, dass sie selbst an Bord eine mit Tomatensaft deklarierte Tube voll Wodka hatten. „Aber was sind schon 200 Gramm für vier Leute“, sagt Jähn. „Wir hatten schließlich etliche Feiertage da oben.“ Im übrigen habe er noch keinen Astronauten vor dem Start taumeln gesehen. Auf die vorangehenden Gesundheitscheck angesprochen sagte Jähn, dass die Untersuchungen in den letzten Jahren lockerer geworden seien.

Wenn es um die bemannte Raumfahrt geht, fallen auch der Name Juri Gagarin und in dem Zusammenhang die Legenden um seinen tragischen Tod. „Es ist ein Absturz gewesen“, sagt Jähn. Er sei zum Zeitpunkt des Absturzes auf der Akademie in Moskau gewesen und habe die Abläufe mitbekommen. „Gagarin war als Chef der Kosmonautenausbildung erfolgreicher Kosmonaut, aber von seinen Fähigkeiten als Flieger einem Flugschüler gleichzusetzen“, sagt Jähn. Außerdem sei das Wetter schlecht gewesen. „Ihm den Flug zu verbieten, hatte sich niemand getraut.“

Von Dagmar Doms-Berger