Döbelner Anzeiger – Theologe lässt Luther sprechen

10. Dezember 2007


Man könnte meinen, da steht er unter uns, der Luther. Denn zeitweise war es so, dass sich Friedrich Schorlemmer ganz nach dem Reformator und seinem jahrzehntelangen Studienobjekt anhörte. Der evangelische Theologe und Bürgerrechtler aus Wittenberg referierte am Sonnabend im Ost-West-Forum in Gödelitz. „Martin Luther. Unser Blick auf ihn. Sein Blick auf uns.“ Mit dieser Zeile war der Abend überschrieben. Anhand seines Buches „Hier stehe ich, Martin Luther“, das 2003 herauskam, zeigte Schorlemmer, dass Luthers Katechismus erstaunlich aktuell geblieben ist – in Zeiten der Sinnbindung des Lebens an materielle Güter und wo Reichtum angesichts der Weltarmut als Diebstahl gelten kann.

 

Kritik an der Selbstverblödung


Wortgewaltig, emphatisch, widerspenstig, stur und versessen, ganz der Tradition Luthers folgend, zitiert und gestikuliert Schorlemmer aus seinem Buch. Luther sei nicht umsonst Reformator genannt worden, sagt er. „Gebildete und gerechte Leute braucht das Land, würde er heute sagen“, so Schorlemmer. „Die permanente mediale Selbstverblödung würde er anklagen und die Reichen, die sich kein Gewissen darüber machen, wie es den Armen geht.“

Wer soll regieren? Auch darauf hatte Luther eine Antwort. „Weise und verständige Leute sollen es sein. Menschen, die Gesetze und Rechte achten. Denn Narren soll man nicht über Eier setzen, sie zerbrechen dieselbigen nur.“

Dem Autor glitzern geradezu schalkhaft die Augen, wenn er den menschlichen und irdischen Luther erwähnt. „Wenn nichts mehr hilft und du den Teufel nicht abweisen kannst, dann verstänkere ihn mit einem Furz.“

Schorlemmer wäre aber nicht Schorlemmer und das Ost-West-Forum nicht dasselbige, würden nicht auch die Deutschen hüben und drüben thematisiert. So wird es nach Ansicht des Bürgerrechtlers noch eine Weile dauern, bis die Wiedervereinigung vollzogen ist. „Denn erst, wenn wir über das Gleiche lachen können, ist es geschafft.“ Schorlemmer galt als einer der Verfechter, die die DDR demokratisieren wollten. Dies, so räumt er heute ein, war ein Irrtum.

Von Dagmar Doms-Berger

Friedrich Schorlemmer: Hier stehe ich – Martin Luther, Aufbau-Verlag; 19,90 €, ISBN: 3351025632