Veranstaltung am 20.9.2008
Vortrag und Diskussion von und mit S. E. Dr. Marek Prawda, Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland
Mit der Gründung des Deutsch-Polnischen Forums unter dem Dach des ost-west-forums im Jahre 2005 haben wir uns vorgenommen, unseren Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen zwischen beiden Ländern und Völkern zu leisten. Es ist ja nicht zu leugnen: Mit unserem polnischen Nachbarn verbindet uns eine schwierige, ja tragische gemeinsame Geschichte. Misstrauen, Ängste, Vorurteile und Selbstgerechtigkeiten wirken latent weiter, eine offene, von Respekt oder gar Freundschaft getragenen Partnerschaft ist nur in Teilbereichen sichtbar.
Aber sie gibt es. Wenn wir die gemeinsame Zukunft unter dem Dach der Europäischen Union besser – und vor allem: friedlicher gestalten wollen, sollten wir die Egozentrik, die oft aggressive Selbstbezogenheit nationalstaatlichen Denkens und Handelns überwinden und mit Offenheit und vorurteilsfreier Neugierde aufeinander zugehen.
Was waren die Ursachen, was waren die Triebkräfte, dieser ewigen Auseinandersetzungen und blutigen Kriege, in die jede Seite mit der Selbstverständlichkeit des Recht-Habenden zog? Welche Probleme belasten die Beziehungen zwischen beiden Staaten heute? Sollten wir nicht endlich einmal beginnen, diese Problemlagen aus der Sicht des Anderen zu sehen um damit – auf gleicher Augenhöhe – zu einem abgewogeneren Urteil zu gelangen? Sind beispielsweise Bedenken gegen das Zentrum für Vertriebene, die Preußische Treuhand oder die Gas-Pipeline durch die Ostsee nicht auch verständlich, wenn man sie aus der polnischen Seelen – und Interessenlage heraus betrachtet? Sollten Polen andererseits nicht auch verstehen, wenn sich Deutsche nicht immer wieder Geschichtsvergessenheit, Aggressivität, oder das Streben nach Dominanz in Europa unterstellen lassen wollen?
Dr. Marek Prawda ist erst seit September 2006 Botschafter der Republik Polen in Deutschland. Das Thema seines Vortrags “Noch ist Polen nicht verstanden” klingt wie ein Appell. Versucht einmal, Euch ernsthaft zu informieren, die Dinge auch aus der Sicht des Nachbarn zu sehen. Ihr werdet zu einem ausgewogeneren Urteil kommen. Was wiederum eine Voraussetzung ist, nicht auf jede quotentreibende Hetzkampagne herein zu fallen. Und es kann der Beginn sein, dem Nachbarn gegenüber mit Verständnis und Freundschaft zu begegnen. Trotz weiter bestehender, durchaus legitimer Interessenunterschiede.
Zur Person: Dr. Marek Prawda
Geboren 1956 in Kielce, Polen. Nach dem Abitur, Studium an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig (1975-79). Von 1979 bis 1990 folgen Forschungsstudium und wissenschaftliche Tätigkeit im Institut für Philosophie und Soziologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. In dieser Zeit promovierte Marek Prawda im Bereich Soziologie (1984). Mit dem Studienaufenthalt an der Universität Hamburg (1987-89) lernt Dr. Prawda auch den westdeutschen Wissenschaftsbetrieb kennen und ist damit bestens vorbereitet auf die 1990 erfolgte Tätigkeit in der Arbeitsgruppe Deutschlandstudien im Institut für Politische Studien an der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau.
1992 beginnt seine diplomatische Karriere in der Botschaft der Republik Polen in Bonn. In den folgenden sechs Jahren wird er vom I. Botschaftssekretär zum Botschaftsrat, Gesandten und Chargé d` Affaires a.i. aufsteigen. 1998 verlässt er Deutschland um im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten seines Landes den Posten eines stellvertretenden Direktors – und ein Jahr später des Direktors – der Westeuropaabteilung zu übernehmen. Im Jahre 2001 folgt die Ernennung zum Direktor des Ministerbüros im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Republik Polen in Warschau, im selben Jahr die Berufung zum Botschafter der Republik Polen im Königreich Schweden. Vier Jahre später (2005) kehrt er für die Dauer eines Jahres an seinen letzten Arbeitsplatz als Direktor des Ministerbüros im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten zurück. Im September 2006 wird er zum Botschafter der Republik Polen in der Bundesrepublik Deutschland ernannt.
Gesellschaftliche Aktivitäten: Dr. Prawda ist seit 1980 Mitglied der Solidarnosc-Gewerkschaft, 1989 arbeitet er im Bürgerkomitee Solidarnosc und im Ausschuss für Selbstverwaltung im Warschauer Stadtteil Zoliborz mit und organisierte Wahlkampagnen. Von 1991-92 war er Generalsekretär des Landesvorstands der Polnisch-Deutschen Gesellschaft.
Botschafter Dr. Prawda beherrscht neben seiner Muttersprache Deutsch, Englisch, Französisch, Russisch und Schwedisch.