Döbelner Anzeiger, Montag 28. Juni 2010, von Dagmar Doms-Berger
Der Autor Torsten Schulz liest auf Gut Gödelitz aus dem Roman “Boxhagener Platz” und vermittelt amüsant Geschichtswissen.
Fünf Männer hat die couragierte Oma Otti schon überlebt und Ehemann Nummer Sechs geht es auch nicht gut. Dann wird Fisch-Winkler noch mit der Bierflasche erschlagen. Das Leben auf dem Boxhagener Platz wird tüchtig auf den Kopf gestellt. Turbulente Handlungen im DDR-Alltag, die mit viel Ironie und Witz erzählt werden, zeichnen den Debütroman des Autors und Regisseurs Torsten Schulz aus. Der Berliner stellte sein Buch “Boxhagener Platz” im Ost-West Forum-Gut Gödelitz vor. Er schildert den Alltag im Osten im Jahre 1968. Im Mittelpunkt seiner Erzählung stehen originelle Figuren wie Oma Otti und ihre kauzige Liebesgeschichte und Enkel Holger, ein zwölfjähriger Junge, der das ganze aus seiner Sicht erzählt.
Pures Lesevergnügen
Schulz pflegt in seinem Roman keine Ostalgie. Seine Helden taugen auch nur bedingt zum Heldentum. Seine Geschichten sind keine Dokumentationen, haben allenfalls einen authentischen Ursprung. Handlungen sind frei erfunden. Schulz gelingt es jedoch, wie auch mit anderen Geschichten aus seinem Buch “Revolution und Filzläuse” nicht nur Geschichten zu erzählen, sondern Geschichte zu vermitteln. Sein Buch ist daher empfehlenswert für jene, die die DDR bewusst miterlebt haben. Für sie wird es ein pures Lesevergnügen. Es ist ein unbedingter Lesetipp für jene aus der nachfolgenden Generation, die die DDR nur auf Stasi und fehlende Reisefreiheit reduzieren. Sie bekommen mit schrägen Geschichten auf unterhaltsame Weise ein Land erklärt, das ihre Großeltern und Eltern bis ins Heute unausweichlich prägt.
Gesellschaft beeinflussen
Schulz, Jahrgang 59, studierte an der Filmhochschule Babelsberg, an der er heute als Professor lehrt. “Wir hatten damals das Gefühl, die Gesellschaft beeinflussen zu können”, sagt Schulz. Ganz im Gegenteil zu heute. “Ich hätte die DDR gern behalten, aber in einer anderen Weise”, gibt er zu. Die polarisierende Aufteilung der DDR in Stasi und Oppositionelle regt ihn bis heute auf. Das Beispiel Christa Wolf zeige, dass nur die Stasi im Fokus der Öffentlichkeit ist, erbrachte Leistungen hätten in dem Zusammenhang keinen Wert mehr.