Döbelner Anzeiger – Vision der Stufendemokratie soll den Staat besser machen

Vision der Stufendemokratie soll den Staat besser machen
Montag, 17.01.2011 von Dagmar Doms-Berger

 

Der Jurist und Visionär Gerd Breitenfeld stellt sein demokratisches Manifest im Ost-West-Forum Gut Gödelitz vor.

Der Parlamentarismus ist zu schwerfällig. Entscheidungswege sind zu undurchsichtig. Viele Bundesbürger haben das Gefühl: “Die da oben machen ohnehin, was sie wollen. Wir können sowieso nichts ändern.” Nicht einmal jeder zweite Bundesbürger stimmt mit der gegenwärtig praktizierten Demokratie überein. Im Osten ist es nicht mal jeder dritte. Jeder zehnte Befragte hält sogar eine Diktatur für eine bessere Staatsform. Was ist da schief gelaufen?

Mit Gerd Breitenfeld setzt das Ost-West-Forum Gut Gödelitz seine Vortragsreihe zur Demokratie fort. Der 85-jährige Jurist und einstige Hochschuldozent für Zivil- und Zivilprozessrecht an der Karl-Marx-Universität Leipzig hat sich seit Beginn seines Ruhestandes nach der Wende mit Theorien zur Verbesserung und Weiterentwicklung der Demokratie befasst.

Neues Modell vorgestellt

Am Sonnabend hat er den über 200 Zuhörern seine Vision über das Stufenmodell der Demokratie vorgestellt und dafür Zustimmung als auch Skepsis erfahren. Mit seiner Stufendemokratie will Gerd Breitenfeld der gegenwärtig praktizierten Demokratie etwas entgegensetzen. Sein Konzept basiert auf kleinen überschaubaren Zellen von maximal 16 Menschen, in denen noch so viel soziale Kontrolle herrscht, dass jeden gegenüber den anderen noch zur Rechenschaft gezogen werden kann. Eine solche Zelle wählt einen Vorsitzenden und zwei Beisitzer, die die öffentlichen Angelegenheiten einer Straße oder eines Miethauses regelt. Jeweils fünf dieser Urzellen wählen aus sich selbst heraus ein solches Dreier-Gremium, das auf einer bereits höheren Ebene – dem Zellverband – die gemeinsamen Interessen vertritt. Und so wachsen über immer weitere Ebenen, die immer mehr Menschen und immer größere Regionen repräsentieren, die Zellen zu einem funktionsfähigen Staatsorganismus zusammen. Der Vertreter einer Zelle könnten jederzeit von ihrer Wählerschaft abgerufen und durch neue ersetzt werden. Diese Stufenpyramide, so Breitenfeld, könnte die bestehende politische Hierarchie vom Ortsverband über Bezirks-, Kreis-, Landesvertretungen bis zum Bundestag ersetzen und würde kostensparend und effektiv nach Problemlösungen suchen. “Der ganze Wahlkampf wäre damit überflüssig”, so Breitenfeld.

Der falsche Weg

Aber wie stellt man es nun an mit der demokratischen Einmischung? Einen Leitfaden lieferte nicht einmal der damalige Bundeskanzler Kanzler Willi Brandt als er die Bürger aufforderte, mehr Demokratie zu wagen. Den Willen sich einzumischen haben viele erst dann, wenn es sie selbst betrifft. In der Mehrheit ist das Bedürfnis nach einer tiefgreifenden Veränderung oder Verbesserung der Demokratie aber gar nicht vorhanden. “Es ist schon schwierig, überhaupt Leute zu finden, die sich als Kandidaten aufstellen lassen wollen”, kommentierte Zuhörerin Anita Maaß, Bürgermeisterin von Lommatzsch. Die Vision von Breitenfelds Stufendemokratie scheint machbar, löst aber das Unbehagen aus, dass dafür tiefgreifende Veränderungen im Zusammenleben der Menschen notwendig sind, deren Folgen noch nicht abzuschätzen sind und damit vorerst abschrecken.

“Das Modell ist zwar utopisch, aber eine erstrebenswerte und dringend notwendige Vision für eine gesicherte Zukunft der Menschheit”, so Breitenfeld. Er ist Autor des utopischen Romans “Fahrt nach Futuras!” mit dem Untertitel: “Eine unglaubliche Reise in eine andere Welt als Anstoß zum Nachdenken über Demokratie” (2000). 2003 schrieb er “Das demokratische Manifest”, 2010 folgte “Demokratie kontra Diktatur”.