Innenminister Ulbig auf Gut Gödelitz: “NPD-Verbot ist der richtige Schritt, aber nicht die Lösung”
Gödelitz, 13.03.2013
Innenminister Ulbig auf Gut Gödelitz: “NPD-Verbot ist der richtige Schritt, aber nicht die Lösung”
Gödelitz. Der Unterschied wurde deutlich: Was ein Minister in der Öffentlichkeit sagen kann, wenn er im Staatsdienst steht oder wie tief er den Finger in die Wunde legen darf, wenn die politische Loyalität gegenüber der Landesregierung nicht (mehr) oberstes Gebot ist. Dass Innenminister Markus Ulbig (CDU) im Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz nicht die Tiefe finden würde, wie Ex-Minister Georg Milbradt vor einem Monat, stand vorher fest. Zum Vortragsthema Ulbigs, Rechtsextremismus als Problem in Sachsen, hätte möglicherweise auch Milbradt nicht mit der Leidenschaft brillieren können, wie er es zur Krise des Euro tat. Etwas mehr Tiefgang hätte insbesondere Markus Ulbig und schlussendlich auch diesem Abend in Gödelitz gut getan.
Der Freistaat Sachsen zeigt antidemokratischen Kreisen ein neues Gesicht. Erfolgreich. Verbotsverfügungen gegen Nationale Sozialisten, Freie Kräfte und andere “neonationalsozialistische Truppen”, wie Ulbig sie nennt, sowie Verhinderung von Nazi-Konzerten in Leipzig seien klare Erfolge im Kampf gegen Rechts. Der Freistaat hat mit dem Aufbau des polizeilichen Operativen Abwehrzentrums (OAZ) das eindeutige Signal gegeben, dass “wir keine rechtsfreien Räume zulassen”, berichtete der Innenminister. Finanzielle und personelle Kürzungen in der Polizei betreffen nicht OAZ oder polizeilichen Staatsschutz. Die Aufstockung der Mittel im Landesprogramm Weltoffenes Sachsen sind ebenfalls klarer Beleg, wie ernst es der Freistaat meint. Erfolge zu feiern, sind Ulbigs Sache nicht, sie zu benennen schon: “Wenn ich in Limbach-Oberfrohna zur Abschlussveranstaltung einer Aktionswoche gegen Rechtsextremismus bin und eine halbe Stadt erlebe, die sich als geballte Front gegen die Rechten stellt, dann muss ich sagen, bin ich begeistert”, berichtete Ulbig von einer Begegnung mit demokratischer Stärke, wie er sie sich vorstelle.
Wenn Sie, liebe Leser, es bis hierher durchgehalten haben, wissen Sie jetzt, was der Innenminister “gern einmal in den deutschen Zeitungen lesen” möchte. Die Medien würden sich nämlich sonst eher damit beschäftigen, “das Haar in der Suppe zu suchen” und lieber quotenträchtigen Schlagzeilen nacheifern, anstatt das “zivilgesellschaftliche Engagement hervorzuheben, das es im Kampf gegen Rechtsextremismus durchaus gibt.” Das sei die Basis für Demokratie und nur dort wo Demokratie nicht funktioniert, hätten die Rechten Chancen.
Ausgerechnet an dieser Basis will Ulbig künftig ansetzen. Der Innenminister: “Wir planen in Sportvereinen und den sächsischen Feuerwehren sogenannte Demokratietrainer zu installieren, um auf rechtsextremistische Tendenzen möglichst sofort zu reagieren.” V-Leute in den Vereinen? Ulbig zufolge muss vor allem in ländlichen Regionen gehandelt werden. Um die Menschen dort zu erreichen, seien die landesweit organisierten und mitgliederstarken Verbände wie die Freiwillige Feuerwehr mit fast 50000 und der Landessportbund mit fast 600000 Mitgliedern besonders wichtig. “Die Demokratietrainer können vor Ort schneller reagieren.” Etwa wenn ein Jugendlicher in der Umkleidekabine ein antidemokratisches Tattoo offenbare. “Dann kann dort entsprechend reagiert werden”, so Ulbig.
Themen wie die Aufklärung der NSU-Mordserie, die Rolle der Nachrichtendienste (“Informationen”, so Ulbig. “sind nicht so geflossen, wie das hätte sein sollen”) und das NPD-Verbotsverfahren, das in der Innenministerkonferenz beschlossen wurde (“es ist der richtige Schritt, wird aber das Problem nicht lösen”) schrammte Ulbig nur. Und wurde nicht müde, zu ermuntern, “dass wir es nur gemeinsam schaffen können und dafür einen langen Atem brauchen. Die Landesregierung ist im Kampf gegen Rechtsextremismus auf Netzwerke und Netzwerker angewiesen, die mit uns an einem Strang ziehen”. Das Ost-West-Forum ist ein guter Gastgeber, die Zuhörer verschonten Ulbig. Er soll ja wiederkommen. Nur einer der sich als verkappter Rechtsextremist gab, schickte einen Gruß mit nach Dresden. Ein Gruß, den der Innenminister wahrscheinlich nicht in deutschen Zeitungen lesen möchte: “Ich bin Rechtsextremist und weiß nach ihrem Vortrag nicht, warum ich das ändern sollte.” Thomas Lieb
Kommentar von Thomas Lieb
Ulbig bleibt Antworten schuldig Von Thomas Lieb Innenminister Markus Ulbig hat mit seiner Ankündigung, Demokratietrainer in Sportvereinen und Feuerwehren zu etablieren, einen indirekten Vorwurf mitschwingen lassen. Den, dass sich Vereine der eigenen Verantwortung nicht bewusst sind, auf eine mögliche antidemokratische Unterwanderung nicht entsprechend reagieren zu können. Es darf ohnehin bezweifelt werden, ob ausgerechnet die einen Platz in Sportgruppen und Jugendwehren suchen, die neonationalistische Ideologien verbreiten wollen. Die präventiven Maßnahmen im pädagogischen Bereich, stehen bei Ulbig nicht (zumindest nicht ganz oben) auf der Liste der Strategien im Kampf gegen Rechtsextremismus. Gerade der Ansatz, im Unterricht den Schülern das demokratische Grundverständnis anzueignen, lag aber auch den Zuhörern seines Vortrages auf Gut Gödelitz am Herzen. Der Minister hat recht, wenn er sagt, die Rechten hätten nur dort Platz wo Demokratie nicht funktioniert. Warum er im Kampf gegen Rechts nicht auf die Stärkung der Demokratie sondern ausschließlich auf repressive Mittel setzt, blieb er in Gödelitz eindeutig schuldig. @t.lieb@lvz.de