Veranstaltung am 14.9.2013
Mit dem Ausbau des Europäischen Gedankens zur Europäischen Union ist ein großes Friedensprojekt gelungen, dem mit der Einführung einer gemeinsamen Währung ein neuer, zusätzlicher Schub verliehen wurde. Die Idee eines sozialen Europas konnte sich nicht durchsetzen. Marktradikale Sichten dominierten und die Überzeugung, dass Europa sich im weltweiten Wettbewerb nur behaupten kann, wenn der Sozialstaat abgebaut, Löhne und Renten gekürzt und das schützende Dach öffentlicher Daseinsvorsorge abgedeckt und dem kalten Wind der Privatwirtschaft ausgesetzt werden, gewann die Oberhand.
Nach der Weltwirtschaftskrise von 1929 hatten die US-Amerikaner aus den Erkenntnissen des britischen Wirtschaftswissenschaftlers John Meynard Keynes praktische Konsequenzen gezogen und mit dem New Deal sowohl der Finanzwirtschaft als auch der Sozialpolitik weitreichende Reformen auferlegt.
Auch in Deutschland hatten die Parteien nach dem II. Weltkrieg ein neues Kapitel aufgeschlagen und dem Kapitalismus abgeschworen. Sogar die West-CDU wendete sich mit dem Aalener Programm von1947 vom kapitalistischen Wirtschaftssystem ab. Zwar wurde diese Grundsatzentscheidung in der Bundesrepublik auf Druck der Alliierten revidiert, aber mit der Sozialen Marktwirtschaft, dem Ausbau des Sozialstaats und der Förderung eines breiten Mittelstandes hat sie dennoch sehr bewusst die Lehren aus 1929 und deren politischen Folgen gezogen. Auch die Konkurrenz zur sozialistischen DDR bewog die bundesdeutsche Führung immer wieder dazu, den sozialen Ausgleich zu fördern – auch um sozialistisch-kommunistischen Bewegungen im Westen Deutschlands den Boden zu entziehen. Mit der Globalisierung und der weltweiten Ausbreitung des Neoliberalismus scheint sich die Welt von den Lehren aus vergangenen Katastrophen verabschiedet zu haben.
Mit dem Ausbruch der Finanzkrise wurde der Streit um den richtigen Weg zu ihrer Bekämpfung zu einem Streitthema der Ökonomen. Die schwarz-gelbe Regierung beharrt auf Sparen, andere Länder argumentierten, dass Sparen ohne zusätzliche Investitionen in den Abgrund führt. Deutschland, das die Krise zwar mit einem erheblich neuen Schuldenberg, insgesamt aber besser als andere europäischen Länder besteht, pocht auf das eigene Vorbild.
Welcher Weg ist der richtige?
Seit Anbeginn unserer Arbeit gehört es zu den Gepflogenheiten des ost-west-forums, wichtige Themen von Gastrednern aus verschiedenen Blickwinkeln bewerten zu lassen. Im März dieses Jahres baten wir den ehemaligen Sächsischen Ministerpräsidenten Professor Dr. Georg Milbradt, seine Sicht auf die Euro-Krise zu erläutern. In dieser Veranstaltung nimmt Albrecht Müller, Gründer der einflussreichen NachDenkSeiten, zum selben Thema Stellung.
Zur Person:
Albrecht Müller, geboren 1938 in Heidelberg.
Nach Abitur und Lehre zum Industriekaufmann folgte das Studium der Volkswirtschaftslehre und Soziologie in Mannheim, Berlin, München und Nottingham.
Nach seiner ersten Stellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Internationale Wirtschaftsbeziehungen der Universität München arbeitete er bis 1968 als Redenschreiber des damaligen Bundeswirtschaftsministers Professor Karl Schiller.
Von 1973 bis 1982 leitete Albrecht Müller die Planungsabteilung des Bundeskanzleramtes unter Willy Brandt und Helmut Schmidt in Bonn. Nach dem Wahlsieg von Helmut Kohl begann seine Karriere als freiberuflicher politischer und wirtschaftspolitischer Berater.
Nach der Bundestagswahl 1987 zog Müller in den Bundestag ein, wo er als SPD-Abgeordneter bis 1994 blieb.
Heute arbeitet Albrecht Müller als Autor und Journalist, als Politik- – und Unternehmensberater. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher, in denen er sich kritisch mit den gegenwärtigen politischen, wirtschaftlichen und medienpolitischen Verhältnissen und deren Entscheidungsträgern auseinandersetzt. Zusammen mit Wolfgang Lieb betreibt Müller das einflussreiche Internetjournal NachDenkSeiten. Die kritische Website mit einer millionenfachen Leserschaft, hat sich zu einer Art Gegenöffentlichkeit herausgebildet.