Veranstaltung am 15.2.2014
„Ohne eine exzellente Bildung ist unser Land nicht zukunftsfähig“ – diesen Satz wird wohl jeder vernünftige Mensch unterschreiben. Im Vergleich zu anderen Industrieländern jedoch gibt unser Land viel zu wenig Geld für diesen wichtigen Bereich aus: Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD), lagen die Bildungsausgaben Deutschlands 2012 mit 5,3% des Bruttoinlandsprodukts noch unter dem Durchschnitt aller dort zusammengeschlossenen 34 wichtigsten Industriestaaten. Zwar sind die Ausgaben absolut gestiegen, aber nicht im Vergleich zu unserer wachsenden Wirtschaftskraft.
Warum legen Dänemark, Island, Norwegen, Schweden, Finnland und viele andere Staaten mehr Wert auf Bildung, als Deutschland? Fehlt es unseren Entscheidungsträgern an Verstand? Gibt es keine entsprechend starke Lobby für Bildung? Warum sind Politiker bereit, die öffentlichen Haushalte für die Rettung von Banken, die sich verspekuliert haben, mit Milliardensummen weiter zu verschulden – wenn es aber darum geht, die Bildungsausgaben massiv aufzustocken, weisen sie sofort auf die knappen Kassen hin. Hinzu kommt die Frage: Können wir uns die unterschiedlichen Bildungskonzepte und Bildungsfinanzierungen im föderalen Konkurrenzkampf zwischen reichen und armen Länder noch leisten? Warum diese Ungleichheit auf Kosten der Kinder und Jugendlichen?
Ein anderes Problem – von vielen – ist die Konzentration auf Exzellenz in Schulen und Universitäten. Wir können und sollten die Besten fördern, aber nicht, indem wir Kinder aus armen Familien mit niedrigem Bildungsstand der Eltern vernachlässigen. Mag Sachsen die besten PISA-Ergebnisse bei Mathematik und Physik haben. Fakt ist aber auch, dass 10% der Schüler ohne Abschluss die Schule verlassen und später womöglich vom Sozialsystem aufgefangen werden müssen. Und die Wirtschaft klagt, dass ein Großteil der Lehrlinge weder richtig lesen, schreiben, rechnen oder in Zusammenhängen denken kann. Wir können es uns nicht leisten, dieses Bildungspotential einfach links liegen zu lassen. Aus menschlichen wie aus wirtschaftlichen Erwägungen.
Das gilt nicht nur für den deutschen Nachwuchs aus bildungsfernen Familien. In Berlin und in vielen anderen westdeutschen Städten und Gemeinden sind die Kinder aus Migrantenfamilien jetzt schon in der Mehrzahl oder werden es in wenigen Jahren sein. Auch für sie sollten in Kindergärten und Schulen die besten Bedingungen für eine intensive Förderung bereitgestellt werden. Das alles ist kostenintensiv, aber es ist eine Investition in die Zukunft.
Das alles und vieles mehr beklagen Bildungsforscher seit Jahren. Was also tun, um der Vernunft eine Bahn zu brechen?
Wir freuen uns, dass Dr. Eva-Maria Stange erneut Gast auf Gut Gödelitz war.
zur Person:
Eva-Maria Stange wurde am 15. März 1957 in Mainz geboren. 1958 zog die Familie in die DDR.
Frau Stange studierte von 1975 bis 1979 an der Pädagogischen Hochschule (PH) in Dresden und ging dann als Diplomlehrerin für Mathematik und Physik in den Schuldienst. Nach drei Jahren Lehrtätigkeit an der Polytechnischen Oberschule (POS) in Dresden kehrte sie an die PH zurück. 1985 Promotion auf dem Gebiet der Methodik des Physikunterrichts. Danach war Frau Dr. Stange bis 1989 in der Lehrerausbildung und Forschung an der PH Dresden tätig.
Mit der friedlichen Revolution wechselte sie 1989 auf eigenen Wunsch erneut in den Schuldienst, zunächst an eine POS, seit dem Schuljahr 1991/92 an ein Dresdener Gymnasium.
Ende 1993 wurde Frau Stange zur Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Sachsen gewählt. Die größte Herausforderung in dieser Funktion war der Abschluss der Teilzeitvereinbarung für die Lehrkräfte an Grundschulen und damit die Sicherung tausender Arbeitsplätze.
1997 bis 2005: GEW-Bundesvorsitzende. Als Mitglied des Forums Bildung der Bundesregierung setzte sie sich für die Einführung einer regelmäßigen nationalen Bildungsberichterstattung ein – vom Kindergarten bis zur beruflichen Weiterbild-ung, sowie für eine größerer Eigenverantwortung für Schulen und Hochschulen.
Seit 1998 war Eva-Maria Stange Mitglied des Executive Board der Bildungs-internationale, der größten gewerkschaftlichen Vereinigung weltweit. Auch in den Kuratorien der Universtäten Bielefeld, Jena und Flensburg, sowie im Hochschulrat der Universität Koblenz-Landau war sie Mitglied.
Von 2006 bis 2009 war sie Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst,
von 2007 bis 2012 war sie Bundesvorsitzende der sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB). Lokalpolitisch ist sie weiterhin AfB-Vorsitzende von Dresden.
Seit 2009 ist sie bildungs- und kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag.
Eva-Maria Stange ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter.