17.2.2014
Gödelitz (diw). Der anstehende Kampf um Stimmen zur Landtagswahl schimmerte schon deutlich durch, als Dr. Eva-Maria Stange (SPD) am Sonnabend im Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz über Bildungspolitik sprach.
“Wenn du Kultusministerin wärst und mehr Geld für dein Ressort fordern würdest – was würde dir der Finanzminister antworten?”, fragte Gastgeber Axel Schmidt-Gödelitz seine Partei-Genossin. Und bekam knappe Antwort: “Dann wird der derzeitige Finanzminister kein Finanzminister mehr sein.”
Eva-Maria Stange war von 2006 bis 2009 Wissenschaftsministerin im Kabinett Milbradt. Es gilt als ihr maßgeblicher Verdienst, dass Sachsen damals keine Studiengebühren eingeführt hat. “Mal sehen, ob sich die Regierung an ihr im Wahljahr gegebenes Versprechen hält, keine Schulen mehr zu schließen. Das hatte der Flath (Steffen Flath, ehemaliger CDU-Kultusminister, d. Red.) 2007 auch schon mal versprochen”, kritisierte Bildungsexpertin Stange die Schulschließungspolitik der CDU. Eine weitere Ausdünnung des staatlichen Schulnetzes führe nur dazu, dass freie Schulen in die Lücken springen. “Ein Fall, wo viele Mütter sich sagen: Ich gebe mein Kind doch nicht an eine evangelische Schule, aber es gibt ja nichts anderes hier.” Interessant: Im November vergangenen Jahres feierte sich der mittelsächsische SPD-Politiker Henning Homann, maßgeblich an einer Entscheidung des sächsischen Verfassungsgerichtes mitgewirkt zu haben, dass der Freistaat freie Schulen weiterhin mit Steuergeld bezahlen muss. Die evangelische Grundschule Technitz liegt in Homanns Wahlkreis.
Der Vortrag der Ministerin a.D am Sonnabend offenbarte auch: Die mittlerweile per Rechtsanspruch abgesicherte Inklusion, also Behinderten die gleichwertige Teilhabe in Schule zu garantieren, wird in Sachsen mehr Lehrer brauchen und weitere Schulschließungen nicht verkraften. Das wollte der Döbelner Sozialdemokrat Hermann Mehner von Eva-Maria Stange wissen. Denn Hermann Mehner hat als Kreistagsabgeordneter allenthalben mit Schulnetzplänen zu tun.
Als “beste und engagierteste Bildungsexpertin Sachsens, wenn nicht gar Deutschlands” hatte Axel Schmidt-Gödelitz Eva-Maria Stange angekündigt. Ihr Vortrag lieferte trotz der Wahlkampffärbung dafür den Beweis. Sie brachte dem Publikum auch didaktisch – Eva-Maria Stange ist übrigens promovierte Pädagogin und Naturwissenschaftlerin – nahe, wie sich Herkunft auf Bildungschancen auswirkt, was der Pisa-Vergleich alles nicht misst und wie notwendig Frühförderung ab dem Kindergarten ist. Vor allem den Zusammenhang zwischen Schulabschluss der Eltern und dem der Kinder stellte die Bildungsexpertin heraus: Von 100 Kinder mit nichtakademischen Eltern gehen mit 46 weniger als die Hälfte aufs Gymnasium, währenddessen über 80 Prozent Kinder von Akademikereltern das Gymnasium besuchen.
Am deutschen Schulsystem, besser an den deutschen Schulsystemen in den 16 Bundesländern, ließ Eva-Maria Stange wenig Gutes. “Wir reden hier über ein System aus dem 19. Jahrhundert”. Sie kritisierte die frühe Trennung und nannte einen Fakt über Förderschulen, der aufhorchen ließ: Zehn Prozent der Schüler im Freistaat verlässt die Schule ohne Abschluss. “Drei Viertel dieser jungen Leute haben eine Förderschule besucht.”