Ost-West-Forum: Schauspielerin Jutta Wachowiak kritisiert Entwicklung der Film- und Theaterbranche, von Natasha G. Allner, 9.10.2014
Gödelitz. Jutta Wachowiak hat das gewisse Etwas: eine dunkle, wohltönende Stimme, ein ungeheuerliches Charisma und einen trockenen Humor, den man erst einmal zu nehmen wissen muss. Am Sonnabendabend sprach die 1940 in Berlin geborene Schauspielerin im Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz über ihre sehr eigenen Erfahrungen mit der Schauspielkunst und dem Filmemachen in der DDR und nach der Wende.
Den Abend eröffneten einige Sequenzen aus dem Film “Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens”. Im Film der DEFA von Ralf Kirsten aus dem Jahr 1987 spielt Wachowiak die Hauptrolle. Dafür hatte sie sich in die Tagebücher der Kollwitz vertiefen dürfen: “Das war sehr toll. Käthe Kollwitz ist eine unglaublich strenge Aufschreiberin gewesen, aber auch liebevoll.” Der Film erzählt langsam und detailreich. Genau dies, so die Schauspielerin, sei heute nicht mehr gefragt: “In dieser Zeit würde wohl kaum jemand einen solchen Film mit langene Einstellungen und Detailreichtum machen. Oft sind Filme eher wie illustrierter Schnellfunk. Ich kann das manchmal schlecht aushalten und bin froh, wenn ich einen Tierfilm finde.” Ihr fehle unter anderem auch diese Ruhe im Film, Sachen zu Ende zu erzählen oder auch jungen Schauspielern auf der Bühne etwas vorspielen und damit Erfahrung weiterreichen zu dürfen.
Die 73-Jährige habe nie zu denen gehören wollen, die sagen: Früher war alles schöner: “Und nun sage ich es doch. Früher war manches schöner.” Zu dem meint Jutta Wachowiak, dass die einzelnen Gewerke, die zum Gelingen des Films beitragen, nicht mehr besonders geschätzt würden: “In der DDR war das anders. Das waren alles Künstler. Maskenbildner, Ton- und Lichttechniker bekamen das Gefühl, beteiligt zu sein. Heute wird das kaum noch vermittelt. Maskenbildner beispielsweise sind nur noch Friseure.” Auch kommt Filmmusik in neueren Werken bei ihr nicht gut weg. “Heute wird jeder Mist mit anderem Mist unterlegt. Der Produzent hat das sagen und der Regisseur ist nur noch ein Geburtshelfer”, so Wachowiaks Kritik.
Ihres Erachtens sei mit der Wende auch die Solidarität unter den Schauspielern beziehungsweise innerhalb eines Ensembles mit häufig wechselnden Gastschauspielern (“Vorbeiflieger” nennt die Schauspielerin sie) verloren gegangen. “Es gab keine Solidarisierung mehr, Positionen wurden präzisiert. Ohne Sicherheit bleibt die Freiheit auf der Strecke. Als Schauspielerin – ich bin kein Held und habe keinen Heiligenschein – kann ich trotzdem tätig werden für meine Position.” Natürlich hätten sie in der DDR auch Ängste gehabt, aber keine Existenzangst. “Und die berührt für mich die Kategorie der Freiheit”, so die Wahl-Potsdamerin, die auch in Essen und auf der Insel Usedom zu Hause ist, weiter.
Ungewohnt war für sie auch das Verhalten gegenüber den “Unkündbaren”: “Die, denen nicht zu kündigen war, wurden mit Liebesentzug gestraft. Wenn du ein paar Jahre nicht mehr auftauchst, weiß keiner mehr, was du kannst. Im Alter von 50 Jahren bist du als Schauspielerin ohne Umbruch im Umbruch”, so Wachowiak: “Da ist es ein gesundes Zeichen, krank zu werden.” Aber, und das betonte die Charakterdarstellerin, sie sei keineswegs verbittert: “Ich hatte durch den Wandel unglaublich schöne Erlebnisse. Ich durfte beispielsweise in Südafrika drehen. Dort wäre ich sonst vielleicht nie hingekommen.”