Veranstaltung am 4. Oktober 2014
Als die Schriftstellerin Carola Stern, 1951 aus der DDR geflüchtet, erstmals mit einem ebenfalls aus der DDR Geflohenen ein Westberliner Kino besuchte, fragten sich beide am Ende des Films: Was war denn die gesellschaftliche Botschaft? Und dann: Kann es sein, dass die hier Filme machen, ohne eine gesellschaftliche Botschaft?
War das so? Waren die Zielsetzungen bei der Film- und Fernsehproduktion im realen Sozialismus der DDR einerseits und in der marktwirtschaftlich orientierten Bundesrepublik andererseits tatsächlich so unterschiedlich? Hier das Mittel zur Propaganda, dort die Möglichkeit, Geld zu verdienen, was immer der Inhalt sein mochte?
Und wie verhielten sich in der DDR Schauspielerinnen und Schauspieler oder diejenigen, die für Regie, Musik, Schnitt, Maske und Technik zuständig waren zum Inhalt dessen, was sie gemeinsam schufen? Waren die einen überzeugte Kommunisten, während die im Westen sich verkauften für alles, was immer Ruhm und Gage einbrachte? Oder haben sich mit den Jahren die Methoden und Zielsetzungen verändert? Muss man das alles womöglich viel differenzierter sehen?
Am Beispiel der großen Schauspielerin Jutta Wachowiak wollen wir einmal nachvollziehen, wie Künstlerpersönlichkeiten in beiden
deutschen Staaten arbeiteten und wie sich die Arbeits- und Produktionsbedingungen in der Film- und Theaterwelt beider deutscher Staaten unterschieden.
Jutta Wachowiak war in der DDR eine gefeierte Künstlerin. Sie spielte in über 60 Filmen mit, oft als Hauptdarstellerin. Sie war Mitglied des Ensembles des Deutschen Theaters in Berlin, wo sie 30 Jahre lang erfolgreich arbeitete. Sie war fest angestellt, niemals arbeitslos und vermutlich ohne Geldsorgen. Sie gehörte zu den unbestrittenen Stars. Auch der Staat ehrte die Künstlerin – unter anderem, 1980 mit dem Nationalpreis der DDR. Zehn Jahre später wurde ihr vom Bundespräsidenten des nunmehr vereinigten Deutschlands das Bundesverdienstkreuz erster Klasse verliehen.
Hatte sich in diesen zehn Jahren in der Einstellung der erfolgreichen Künstlerin etwas Grundlegendes verändert? Immerhin gehörte sie zu den Initiatoren der Demonstration am 4. November auf dem Berliner Alexanderplatz, an der 500 000 Menschen teilnahmen, mit der Forderung nach einer grundlegenden Veränderung des politischen Systems der DDR. Was wünschte sich Jutta Wachowiak damals – die Wiedervereinigung beider deutscher Staaten – oder einen demokratischen Sozialismus in einer eigenständigen DDR, wie viele ostdeutsche Oppositionelle? Und welche Erfahrungen machte Jutta Wachowiak dann in der neuen Welt der Marktwirtschaft?
Wir freuten uns, unsere Kuratorin Jutta Wachowiak als Gast auf Gut Gödelitz begrüßen zu dürfen. Wir zeigten dabei auch Ausschnitte aus dem Film „Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens“, in dem sie die Hauptrolle spielt. Die Musik des Films schuf Peter Gotthardt, der ebenfalls anwesend war.
Presse:
Döbelner Allgemeine Zeitung: Maskenbildner sind nur noch Friseure