Neue Lehrer braucht das Land
Der Gründungsleiter von St. Afra Dr. Werner Esser sprach auf Gut Gödelitz vom Unterricht der Zukunft. Und das in einem kunstvollen Rahmen.
Von Jens Hoyer
Gödelitz. Schule, da kann jeder mitreden. Bildung ist immer ein Thema. Der ehemalige Schafstall im Gut Gödelitz war am Samstagabend gut gefüllt bei einer Veranstaltung mit dem Reformpädagogen Professor Dr. Werner Esser, der 13 Jahre lang der Leiter der Hochbegabtenschule St. Afra in Meißen war. „Was muss in den Schulen passieren, damit etwas passiert?“, war der Vortrag überschrieben. Wer Antworten auf die Frage suchte, wie die Schule von morgen beschaffen sein muss, der ging vielleicht etwas enttäuscht nach Hause. Esser blieb, zumindest für den pädagogischen Laien, sehr theoretisch und vage. Dabei ist die Frage sehr spannend, wie Schule beschaffen sein muss, wenn „Inklusion“ ein großes Thema wird. Also das Auflösen der Abgrenzung zwischen leistungsstarken und leistungsschwächeren Schülern und der gemeinsame Unterricht.
Der Lehrer ist heute mit Eltern konfrontiert, die größtmögliche Bildung ihrer Kinder wollen, und das sei völlig legitim, so Esser. An der Schule herrscht großer Druck – Bildung wird vor allem auch als wichtig für die Sicherung des sozialen Status und der Zukunft angesehen. Die Frustration vieler Lehrer, das haben Umfragen gezeigt, ist in diesem Spannungsfeld zwischen Anspruch und Wirklichkeit groß. Dabei kommt den Lehrern nach Essers Auffassung besonderes Engagement zu, nämlich einen individuellen Unterricht zu führen, in dem der Schüler als Persönlichkeit gesehen wird. „Soziale Kompetenz entwickeln“, das hält Esser für eine der wichtigsten Aufgaben, die Schule heute leisten muss. „Ausgebildet kann man werden, bilden kann man sich nur alleine“, so Esser.
Können Quereinsteiger neue Lehrerpersönlichkeiten sein?
Die Persönlichkeit des Schülers anzunehmen und zu entwickeln, dabei könnten manche Lehrer die Grenzen der eigenen Persönlichkeit erkennen. „Es könnte sein, dass sie mit Dingen konfrontiert werden, die sie nicht im Griff haben.“ Esser sieht die Lehrer als Experten, aber auch als Lernende. „Viele Kollegen haben keine Ahnung von Gruppendynamik“, so Esser. Die Bereitschaft, sich von Außenstehenden „coachen“, beraten und anleiten zu lassen, oder sich Rat und Anregungen bei Kollegen zu holen, sei bei den Lehrern eher gering.
Können Quereinsteiger in die Pädagogik die neuen Lehrerpersönlichkeiten sein? Esser nennt das Beispiel eines ausgebildeten Musikers, der in St. Afra als Musiklehrer „eine Granate“ gewesen sei. Manche Zuhörer sahen das mit Skepsis. Einer meinte: „Die Quereinsteiger mit einer pädagogischen Ausbildung von nur einem Jahr auf die Schulen loszulassen, halte ich für abenteuerlich.“
Die Kunst gab der Diskussion zur Bildung an diesem Abend einen Rahmen. Anne-Francoise Cart zeigt auf Gut Gödelitz seit Sonnabend ihre Bilder, die sie in Mischtechnik gestaltet hat und die mit eingearbeiteten Texten aus Zeitungen und Zeitschriften viel Platz für Interpretationen lassen. Manche kann man für Landschaften halten, die mit ihren warmen Braun- und Geldtönen an Afrika erinnern. Die feinen Farbharmonien und die in vielen Schichten gemalten Bilder ließen die ausgebildete Textilgestalterin erkennen, sagte Professor Wendelin Szalai, der die Laudatio hielt. Er sieht in den Bildern gemalte Gedichte und harmonische Klänge und schlug bei seiner Interpretation einen kunstvollen Bogen zur Gegenwart mit Fremdenfeindlichkeit und Pegida.