Vortrag und Gespräch mit Prof. Dr. Horst Teltschik: Außenpolitischer Berater der Regierung Kohl a.D. Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz 1999-2008
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Als Willy Brandt und Egon Bahr mitten im Kalten Krieg eine neue Ost-und Deutschlandpolitik konzipierten, wollten sie weder unsere westlichen Werte exportieren noch gaben Sie Signale einer ideologischen Annäherung an den Osten. Es ging nicht um die Fortsetzung der sichtbar gescheiterten Politik der Stärke, es ging ihnen ausschließlich um Interessenausgleich, primär mit dem Ziel, den Frieden in Europa zu bewahren.
Egon Bahr zeigte der Welt, wie das möglich ist: Sich in die Interessenlage des Anderen hineinversetzen und aus diesem Blickwinkel die Problemlage noch einmal neu einzuschätzen. Mehr noch: Auch die emotionale Lage des Gegners, Ängste, verletzten Stolz, oder mangelndes Selbstbewusstsein mit einzubeziehen. Mit großer Offenheit, ohne Hintertüren, sollte verhandelt werden, um Vertrauen aufzubauen.
Als die sozial-liberale Regierung 1982 scheiterte, führte der neue außenpolitischen Berater Helmut Kohls – Horst Teltschik – diese Politik des Interessenausgleichs und der begrenzten Kooperation mit der Sowjetunion, mit Polen und der DDR fort. Gleichzeitig ließ die Regierung Kohl – wie auch die Vorgängerregierungen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt – keinen Zweifel an der Bündnistreue zum Westen, insbesondere zu den Vereinigten Staaten von Amerika.
Das war die Welt von gestern. Niemand hätte sich damals die breite Krisenlage von heute auch nur vorstellen können: Der wiederkehrende Nationalismus, der zunehmende Zerfall des Friedensprojekts Europa, Bürgerkriege und scheiternde Staaten in Afrika und dem Nahen Osten, islamistischer Terrorismus, Flüchtlingsströme und der Klimawandel – sowie die Vorstellung, dass Kriege als Mittel der politischen Auseinandersetzung wieder möglich sind.
Aus Egon Bahrs Wandel durch Annäherung wurden keine Lehren gezogen.
Sein Werk wird gepriesen, in der Praxis aber wird selbst von der SPD eine eher gegenteilige Politik praktiziert und seit einiger Zeit von einer kleinen Arbeitsgruppe auch propagiert: An dem, was sie eine Neue Ostpolitik nennen, kleben die Schmauchspuren des Kalten Krieges: Sanktionen weiterführen, die Verletzung des Völkerrechts und unserer westlichen Werte als Dauerschleife, die Nato bis an die Grenzen des Aggressors Russland ausdehnen, die traditionellen Einkreisungsängste der Russen dabei missachtend.
Was treibt sie an? Was sind die Ursachen dieser negativen Neuorientierungen? Was hindert unsere Politiker, einen vernünftigen Interessenausgleich mit Putin zu verhandeln und uns ein Stück von den USA zu emanzipieren?
Professor Teltschik hatte und hat in vielen Bereichen unserer Gesellschaft Führungs-positionen inne und teilt die wesentlichen Grundpositionen der Entspannungspolitik.
Wir freuen uns, Professor Horst Teltschik – auch als unseren neuen Kurator – auf Gut Gödelitz begrüßen zu dürfen.
Zur Person: Horst Teltschik
Geboren 1940 in Klantendorf /Nordmähren, heute Kujavy /Tschechien.
Ende des Zweiten Weltkrieges flüchtete seine Familie nach Bayern, wo er aufwuchs und sich in der katholischen Jugendbewegung engagierte, zuletzt als Dekanatsjugendführer.
Abitur 1960.
Nach Wehrdienst bei der Bundeswehr studierte er von 1962 bis 1967 Politische Wissenschaften, Neuerer Geschichte und Völkerrecht an der Freien Universität (FU) Berlin. In dieser Zeit war er Vorsitzender des RCDS (Studentische Organisation der CDU) an der FU Berlin, 1965/66 war er deren stellvertretender Bundesvorsitzender.1967 beendete er seine Studienzeit mit einer Diplomarbeit über den chinesisch-sowjetischen Konflikt.Nach einer kurzen Zeit als Hochschulassistent am Berliner Otto-Suhr-Institut arbeitete er ab 1970 als Leiter der Gruppe „Außen- und Deutschlandpolitik“ in die CDU-Geschäftsstelle in Bonn. Von dort wechselte er 1972 in die Staatskanzlei des damaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz,
Helmut Kohl. Seit dieser Zeit gehörte Horst Teltschik zu dessen engsten Beraterkreis.
1977 wurde er Leiter des Büros des Vorsitzenden der CDU/CSU Bundestagsfraktion in Bonn.
Mit der Regierung Kohl-Genscher übernahm Teltschik 1982 die Leitung der Abteilung „Auswärtige und innerdeutsche Beziehungen, Entwicklungspolitik, Äußere Sicherheit“ im Bundeskanzleramt.
Aus dieser Zeit stammt ein informeller Austausch mit Egon Bahr. 1983 wurde er zum stellvertretenden Leiter des Bundeskanzleramtes ernannt.
Es folgen verschiedene Positionen in der Wirtschaft: 1991/92 Geschäftsführer der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh, 1993 bis 2000 Vorstandsmitglied der BMW-Gruppe im Ressort „Wirtschaft und Politik“, sowie bis 2003 als Vorsitzender der firmeneigenen Herbert Quandt-Stiftung in München. 2003 wechselte er zu Boeing, wo er bis 2006 als Präsidenten von Boeing Deutschland und Vizepräsident von Boeing International arbeitete. Zeitlich fast parallel leitete er von 1999 bis 2008 die Münchner Sicherheitskonferenz. Sein Nachfolger ist Wolfgang Ischinger.
Mitte 2003 folgte er dem Ruf eines Honorarprofessors an der neuen Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TU München.
Professor Teltschik war Präsidiumsmitglied des Wirtschaftsrates der CDU und der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), sowie Mitglied des International Advisory Board des Council on Foreign Relations (CFR) Er ist Mitglied zahlreicher Kuratorien, Stiftungen, Beratungsgruppen und Dialogforen, darunter seit 2017 auch Kuratoriumsmitglied des ost-west-forums Gut Gödelitz e.V. Er hat zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen erhalten und gilt als einer der profiliertesten außenpolitischen Berater unseres Landes. Vor allem in Bezug auf unser Verhältnis zu Russland rät er zur Mäßigung und zur Beendigung der Sanktionspolitik.
Horst Teltschik ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er lebt in Rottach-Egern am Tegernsee.