Eröffnung am 1. Juni 2019 18:00 Uhr auf Gut Gödelitz
Kuratoren: Ali Pirabi und OStR i. R. Siegfried Patzig
Laudatio: Prof. Dr. Wendelin Szalai
Musikalisches Vorspiel: Dorsa Pirabi
Liebe Mitglieder und liebe Freunde des ost-west-forum Gut Gödelitz, sehr geehrte Frau Dr. Scherbakowa, meine Damen und Herren,
im Namen des Vorstandes unseres Bürgervereins begrüße ich Sie alle zu einer neuen Veranstaltung in unserer monatlichen Samstagabendreihe. In einem kurzen Vorprogramm eröffnet unser ost-west-forum zunächst eine neue Kunstausstellung. Es ist unsere 48. Und es ist eine Gemeinschaftsausstellung zweier iranischer Künstlerinnen.
Mahnaz Pirabi stellt künstlerische Metallarbeiten aus, vorwiegend Reliefs. Auf einem Tisch am Eingang aber auch verschiedene dekorative Gefäße, vor allem Dosen und Schalen.
Tahereh Pirabi zeigt uns Malerei auf Leinwand und auf schwarzem Stoff.
Die Künstlerinnen sind Schwestern. Sie sind Iranerinnen, und leben im Iran.
Der Iran wurde bis 1934 Persien genannt. Persien ist ein großes, altes Land mit einer langen an Kultur und Kunst reichen Geschichte . Hören wir jetzt ein kurzes Stück persische Klaviermusik. Es heißt „Goldene Träume“ und stammt von dem bekannten persischen Komponisten und Pianisten Javad Maroufi. Am Flügel erleben wir Dorsa Pirabi. Sie ist 13 Jahr alt und Schülerin an einem Leipziger Gymnasium.
Dorsa Pirabi ist eine Nichte der beiden ausstellenden Künstlerinnen. Ich kenne Mahnaz und Tahereh Pirabi nicht persönlich. Die beiden Künstlerinnen sind heute auch nicht anwesend. Aber ich kenne ihren älteren Bruder – Ali Pirabi. Den kennen auch viele von Ihnen – und zwar von unseren Neujahrskonzerten, bei denen Musiker aus fünf Ländern miteinander gespielt und gesungen haben. In diesen haben wir ihn als einen großartigen Virtuosen auf verschiedenen traditionellen orientalischen Instrumenten erlebt, mit traditionellen und eigenen Kompositionen.
Der Komponist, Musiker und Musikwissenschaftler Ali Pirabi lebt seit 2013 in Leipzig. Dort betreibt er eine internationale Musikschule für europäische, orientalische und persische Musik in Theorie und Praxis. Er schlägt gewissermaßen mit Musik eine Brücke zwischen Orient und Okzident.
Ali Pirabi hat zusammen mit Siegfried Patzig, einem Leipziger Mitglied unsres Vereins, diese Neujahrskonzerte organisiert. Und gemeinsam haben die beiden auch diese Kunstausstellung vorbereitet und gestaltet. Dafür beiden ein herzliches Dankeschön.
Aber heute kann Ali Pirabi nicht hier sein. Er befindet sich auf einer kurzfristig terminierten Konzertreise in China. In Gödelitz vertreten ihn und seine beiden Schwestern, seine Ehefrau Sahar, eine Physikerin, seine fünfjährige Tochter Tina, die in Leipzig einen Kindergarten besucht, und seine Tochter Dorsa, die wir bereits am Klavier erlebt haben. Ihnen allen, liebe Familie Pirabi, ein herzliches Willkommen.
Unsere neue Ausstellung trägt den Titel „Brücken“.Brücken sind etwas Verbindendes. Sie überwinden trennende Gräben. Kunst kann eine solche Brücke sein. Über geografische, politische, ethnische, religiöse, sprachliche Grenzen hinweg kann Kunst Menschen miteinander verbinden. Über die Brücke Kunst können wir ohne Pass, Visum oder Passierschein auf uns bisher fremde Menschen zugehen, ihnen vorurteilslos begegnen, sie kennen und annehmen lernen. Die Sprache der Kunst ist universell. Man kann sie ohne Fremdsprachenkenntnisse verstehen.
Bei unseren Neujahrskonzerten haben wir die Kunst der Musik mit dieser verbindenden Wirkung erlebt. Unsere 48. Kunstausstellung möchte mit bildender Kunst eine solche verbindende Wirkung ermöglichen.
Lassen Sie mich die beiden Künstlerinnen kurz vorstellen:
Mahnaz Pirabi ist 1980 in Shiraz geboren. Diese südiranische Zweimillionenstadt ist durch einen berühmten Dichter, ihre Gärten sowie ihren Blumenreichtum bekannt. Mahnaz Pirabi hat persische Literatur studiert und mit dem Bachelor abgeschlossen. Sieben Jahre lang hatte sie bei im Iran bekannten Lehrern Privatunterricht in der traditionellen Kunst der künstlerischen Metallbearbeitung.
Bei renommierten Lehrern erfolgte eine private Musikausbildung am Daf, der traditionellen Rahmentrommel. Mahnaz Pirabi spielt dieses Instrument inzwischen in iranischen Orchestern, und sie gibt eigene Konzerte. Seit mehr als 10 Jahren zeigt sie auf Ausstellungen im Iran und im Irak eigene Silber- und Kupferarbeiten. Seit 2011 ist sie freiberuflich als künstlerische Metallbearbeiterin und als Lehrerin für dieses Fach tätig. Sie betreibt in Shiraz eine eigene Werkstatt mit Mitarbeitern und Schülern.
Tahereh Pirabi ist 1985 in Shiraz geboren. Sie hat ihr Elektronikstudium mit dem Bachelor abgeschlossen. Acht Jahre lang erfolgte bei landesweit angesehenen Lehrern eine Ausbildung in traditioneller persischer Malerei. An der Kunsthochschule in Shiraz hat sie die Qualifikation als Malerin und Lehrerin für Malerei erworben. Sie ist freiberuflich auf diesen beiden Gebieten tätig. Seit 2008 zeigt sie ihre Bilder auf Ausstellungen im Iran.
Wir sehen: Beide Künstlerinnen widmen sich in ihren Arbeiten traditionellen künstlerischen Themen und traditionellen künstlerischen Techniken. Beide drücken so ihre Kenntnis und ihren Stolz auf die lange an Kultur und Kunst reiche persische Geschichte aus. Und beide schlagen mit ihren Arbeiten eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Mit ihren Reliefs greift Mahnaz Pirabi auf die vor rund 2500 Jahren im Persischen Großreich der Achämeniden vorherrschende Kunstform zurück. Damals wurde auf Reliefs aus Ziegeln, Stein oder Metall die Macht der Großkönige verherrlicht. Darstellungen von Huldigungen oder Tributzahlungen waren typisch. (Manche von uns erinnern sich vielleicht an das Thema Persien im eigenen Geschichtsunterricht, an die Namen Kyros, Darius und Xerxes. Das waren bekannte Großkönige.) Typisch auf den Reliefs waren auch Fabelwesen und mythologische Figuren wie geflügelte Sphinxe. Mahnaz Pirabi zitiert solche Bildmotive. Wir können das unschwer erkennen.
Wie zeigt sich dieser Brückenschlag bei Mahnaz Pirabi? Manche von uns erinnern sich vielleicht an das Thema Persien im eigenen Geschichtsunterricht, an Namen wie Kyros, Darius und Xerxes. Das waren bekannte Könige im Persischen Großreich der Achämeniden. Es hatte vom 6. bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. bestanden.
Das Relief war in diesem Großreich die bekannteste Kunstform. Überliefert sind uns Reliefs aus gebrannten bemalten Ziegeln, aus Stein und aus Metall. Auf Reliefs wurde vor allem die Macht der Großkönige verherrlichend dargestellt, Szenen mit Huldigungen oder Tributzahlungen waren typisch.
Typisch auf den Reliefs waren auch Fabelwesen und mythologische Figuren wie geflügelte Sphinxe. Mahnaz Pirabi zitiert solche Bildmotive. Wir können das unschwer erkennen.
In den Bildern von Tahereh Pirabi können wir einen zweifachen Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart erkennen:
Wir sehen drei Malereien auf schwarzem Stoff mit Motiven, die auf das einstige persische Großreich verweisen. Motive und Malweise auf ihren anderen Bildern von lassen eher an die sich seit dem 13. Jahrhundert entwickelnde persische Miniaturmalerei denken. Diese Malerei diente vor allem der Illustration von Mythologie und Dichtung.
Malerei, Schrift und Buchkunst waren also eng verbunden. Blumen und Tiere in klaren Formen, auch klare geometrische Formen, und kraftvolle Farben waren für diese Miniaturmalerei typisch. In den formenklaren und farbkräftigen Bildern von Tahereh Pirabi lassen sich leicht Bezüge zu dieser kulturell-künstlerischen Vergangenheit feststellen. Aber auch Mahnaz Pirabi zitiert in einigen Reliefs typische Formen der Miniaturmalerei, vor allem Blumen und Vögel.
Für mich drücken die Arbeiten unserer neuen Ausstellung eine enge Geschichtsverbundenheit und ein entwickeltes Traditionsbewußtsein der beiden Künstlerinnen aus. In unserer eigenen oft geschichtsvergessenen und darum utopiearmen Gesellschaft finde ich eine solche Erinnerungskultur bemerkenswert und auch ermutigend .
Zum weiten Problemfeld von Geschichtsverbundenheit, Traditionspflege und Erinnerungskultur passt der folgende Vers von Johann Wolfgang von Goethe:
„Wer nicht von dreitausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
Bleib im Dunkeln unerfahren,
Mag von Tag zu Tag leben.“
Diese Zeilen stammen aus Goethes umfangreichster Gedichtsammlung, seinem „West-östlichen Diwan“.Das Wort Diwan bezeichnet ganz allgemein eine Sammlung künstlerischer Texte, Poesie oder Prosa. Goethe hat 1814 den 500 Gedichte umfassenden Diwan des persischen Dichters Hafiz kennengelernt. Hafiz ist 1315 in Shiraz geboren und dort 1390 gestorben. Hafiz von Shiraz zählt zu den bekanntesten persischen Dichtern. Er ist für Persien bzw. den Iran eine solche Gestalt wie für uns vielleicht Walther von der Vogelweide oder Johann Wolfgang von Goethe.
Goethe war von den Gedichten des Hafiz und von der persischen Kultur insgesamt so begeistert, dass er bereits 1819 seinen „West-östlichen Diwan“ herausbrachte. Daraus stammt der folgende Vers:
„Wer sich selbst und andere kennt,
wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
sind nicht mehr zu trennen.“
Sind nicht mehr zu trennen. Unsere neue Kunstausstellung können wir ebenso wie unsere Neujahrskonzerte als einen kleinen zeitgenössischen Beitrag zu einem kulturellen Dialog, zu einer Brücke zwischen Orient und Okzident verstehen.
Lassen Sie mich mit einem rund 700 Jahre alten Ratschlag des Hafis von Schiraz schließen: „Genießen wir, was uns der Tag beschert! Wer weiß, ob solch ein Tag uns wiederkehrt.“
Liebe Freunde, meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen Genuss, Freude und Nachdenklichkeit mit den Arbeiten von Mahnaz und Tahereh Pirabi.
Alle hier ausgestellten Arbeiten, auch die auf dem Tisch am Eingang, sind bei Interesse käuflich zu erwerben. Die Ausstellung wird so auch bei unserer nächsten Veranstaltung am 8. Juli zu sehen sein. Dort könne dann Arbeiten gekauft werden. Sie können sich aber heute schon über die Preise informieren und sich für bestimmte Arbeiten vormerken lassen. Sprechen Sie dazu nach Ende der Veranstaltung mit Herrn Patzig. Er wird am Tisch mit den Dosen und Gefäßen stehen.
Und nun übergebe ich zum Hauptprogramm des Abends an einen für unseren Bürgerverein neuen Moderator. Aus Berlin begrüße ich Herrn Alfred Eichhorn. Er ist freier Journalist – und 1944 in Sachsen geboren. An der Leipziger Universität hat er Journalistik studiert und danach beim Rundfunk der DDR gearbeitet – bis zu dessen Ende. Er war in der kurzen Zeit der Modrow-Regierung letzter Chefredakteur von Radio DDR. Bald nach der Wende hat er beim Saarländischen Rundfunkt „deutsch-deutsche Interviews“ geführt. Er passt also ganz direkt zu unserem ost-west-forum. Lieber Herr Eichhorn, das Mikrofon gehört Ihnen.
Text von Wendelin Szalai, Vorstandsmitglied des ost-west-forum