Vorankündigung: Freikäufe politisch Verfolgter – Humanitäre Notwendigkeit oder Menschenhandel?

Veranstaltung mit Norbert F. Pötzl, Autor des Buches: Mission Freiheit – Wolfgang Vogel – Anwalt der deutsch-deutschen Geschichte

Zeit und Ort: Gut Gödelitz: 12. September 2015, 18:00 Uhr.


© Vanessa Eggers

© Vanessa Eggers

Nach 25 Jahren deutsche Einheit fällt der Rückblick auf die DDR unterschiedlich aus. Den Einen ist die De-Legitimierung der DDR wichtig, als Sieger der Geschichte finanzieren staatliche Stellen vor allem jene Organisationen, die das Bild eines Systems zeichnen, das wesentlich von Stasi, Diktatur und Unrechtsjustiz geprägt war. Nachdenklichen, darunter vor allem vielen Ostdeutschen, erscheint dies wiederum allzu undifferenziert, auch weil es mit den eigenen Erinnerungen nicht in Einklang zu bringen ist. Das gilt auch für jene, die mit vielen Aspekten des DDR-Systems nicht einverstanden waren.

Eines der Themen, das bis heute umstritten ist, ist der durch die Bundesrepublik bezahlte Freikauf von DDR-Bürgern, die entweder bereits politische Häftlinge waren oder aber einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Erste Schritte in dieser Richtung unternahm schon kurz nach dem Mauerbau die damalige CDU/FDP-Regierung. Mit der neuen Deutschland- und Ostpolitik unter Willy Brandt, Egon Bahr und Walter Scheel wurde dieser Bereich massiv ausgebaut – aus guten Gründen:

Beiden deutschen Regierungen war bewusst, dass jeder Mensch, der an der Berliner Mauer oder an dem innerdeutschen Todesstreifen ums Leben kam, weitere Verhandlungen um die Normalisierung der Beziehungen verzögerte oder massiv behinderte. Zur Flucht entschlossene DDR-Bürger sollten deshalb eine andere Möglichkeit als den illegalen Grenzdurchbruch geboten bekommen. Namenslisten wurden erstellt, Preise ausgehandelt und auf diese Weise Tausenden die legale Ausreise in den Westen ermöglicht.

Von Seiten einiger DDR-Oppositioneller wurde dies – und wird dies bis heute –als Menschenhandel bezeichnet, der zudem Druck aus der DDR nahm, der zum inneren Wandel des Systems nötig gewesen wäre. Eine zentrale Figur dieser Politik war der DDR-Anwalt und persönliche Beauftragter Erich Honeckers, Wolfgang Vogel. Die Berliner Staatsanwaltschaft bezeichnete ihn 1996 als den „größten Menschenhändler unseres Jahrhunderts“ und forderte viereinhalb Jahre Gefängnis. Richard von Weizsäcker hingegen verteidigte Vogel: Er sei „für die westdeutschen Verantwortlichen in allen Regierungen… der unentbehrliche Geschäftspartner gewesen, um Menschen den Weg in die Freiheit zu öffnen“. Wo in diesen extrem unterschiedlichen Sichten ist die Wahrheit zu finden?

Norbert F. Pötzl, langjähriger SPIEGEL-Redakteur und Autor zahlreicher Bücher, hat sich mit der Person Wolfgang Vogels und seinem Wirken zwischen zwei Welten auseinandergesetzt und ein äußerst lesenswerten Buch geschrieben.

Wir freuen uns, Norbert Pötzl auf Gut Gödelitz begrüßen zu dürfen. Zum Vortrag und dem anschließenden Gespräch laden wir Sie herzlich ein.

ZUR PERSON: Norbert F. Pötzl
Geboren 1948 in Waiblingen bei Stuttgart, von 1972 bis 2013 Redakteur beim Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL; u. a. Leiter des Berliner Büros von 1990 bis 1994 und verantwortlicher Redakteur für die Reihen SPIEGEL GESCHICHTE und SPIEGEL WISSEN von 2004 bis 2013. Seit Mauerfall und Wiedervereinigung schwerpunktmäßig zahlreiche Beiträge über die ehemalige DDR; SPIEGEL-Gespräche u. a. mit Egon Bahr, Joachim Gauck, Gregor Gysi, Erich Mielke, Manfred Stolpe, Wolfgang Vogel. Buchautor, u. a. „Der Fall Barschel. Anatomie einer deutschen Karriere“ (1988), „Basar der Spione. Die geheimen Missionen des DDR-Unterhändlers Wolfgang Vogel“ (1997), „Erich Honecker. Eine deutsche Biographie“ (2002), „Beitz. Eine deutsche Geschichte“ (2011), „Mission Freiheit. Wolfgang Vogel, Anwalt der deutsch-deutschen Geschichte“ (2014), „Bismarck. Der Wille zur Macht“ (2015). Mitherausgeber mehrerer Bücher, u. a. „Der Kalte Krieg. Wie die Welt den Wahnsinn des Wettrüstens überlebte“ (2009) und „Die Deutschen im Osten Europas. Eroberer, Siedler, Vertriebene“ (2011).