09.12.2013 von Dagmar Doms-Berger
Werner Patzelt von der TU Dresden fordert mehr direkte Demokratie. Wie das gehen könnte, sagte er den Zuhörern des Ost-West-Forums. Wissenschaftlich fundiert, populär aufbereitet und unterhaltsam dargeboten: Mit diesen Attributen hat es der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt geschafft, den Zuhörern am Sonnabend im Ost West Forum auf Gut Gödelitz die Demokratie, wie sie wirklich funktionieren kann, verständlich zu machen.
Das Wahlrecht, direkte Beeinflussung der öffentlichen Meinung, Engagement in Parteien sowie Arbeit in Verbänden und Initiativen – alles demokratische Instrumente, die uns jetzt schon zur Verfügung stehen. Wir haben aber nicht das Recht, Volksbegehren zu Themen auf bundespolitischer Ebene anzuzetteln. Über die Gesundheitsreform, Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke, Normgröße für Äpfel dürfen wir nicht mitbestimmen. Sind wir damit zufrieden? Die Art der Volksabstimmungen, wie sie im heutigen Politalltag praktiziert und ausschließlich von Berufspolitikern initiiert werden, zielten auf Manipulation ab und seien daher mit Skepsis zu sehen, sagt der Politikwissenschaftler. „Wenn die von uns gewählten Politiker die Entscheidung über Sachthemen nach unten delegieren und an das Volk abgeben, dann fühlt sich das für das Volk partiell gut an“, so Patzelt. Tatsächlich sei es aber so, dass sich die Politiker mit dieser Strategie aus der Verantwortung schleichen, für die sie eigentlich gewählt worden sind. „Die Schuldigen sind am Ende wir, die Politiker dagegen fein raus.“
Kein Thema darf Tabu sein
Was nun? Wer auf mehr direkte Demokratie abzielt, müsse zu anderen Mitteln greifen, so Patzelt. Tatsächlich wirksam wären die Volksabstimmungen von unten nach oben. Das heißt, das Volk wählt seine Themen selbst, die es geklärt haben möchte und initiiert dafür die „echten Volksabstimmungen“. Patzelt nennt sie „plebiszitäre Instrumente“, abgeleitet von „Plebiszit“, lateinisch plebiscitum, Volksbeschluss. Damit könnten die Menschen punktgenau und zielsicher Einfluss nehmen. Kein Thema dürfe Tabu sein.
Ein Mittel dafür ist die Volksgesetzgebung, bei der ein bestimmter Prozentsatz der Bevölkerung mit Unterschriften die Parlamentarier zum politischen Handeln zwingen kann – bis hin zum Gesetzentwurf. „Dann müssen sich die Berufspolitiker auch mit den Themen beschäftigen, die ihnen unliebsam sind“, so Werner Patzelt.
Ein zweites Mittel für mehr direkte Demokratie ist das fakultative Gesetzreferendum, welches beinhaltet, dass ein bereits von der Regierung beschlossenes Gesetz von der Bevölkerung überprüft und gekippt werden kann. „Wenn wir dieses Mittel schon hätten, würde sich keine Regierung erdreisten, so manches Gesetz zu verabschieden“, witzelt Patzelt. Aber wären die Deutschen mit den Mitteln der direkten Demokratie nicht überfordert? „Nein“, meint der Politikwissenschaftler Patzelt. Natürlich wäre der Wähler gefordert und müsse sich informieren, einfach sei es nicht. „Die Schweizer machen es uns aber vor, dass es funktioniert.“ Dort gibt es dieses Gesetz bereits seit 1848. Ein weiteres Mittel ist das obligatorische EU-Referendum, mit dem die Verhandlungsposition von Deutschland in der EU gestärkt werden könnte.