Veranstaltung am 27. Februar 2010
Vortrag und anschließendes Gespräch mit Professor Wolfgang Donsbach, Professor für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden und Frau Brigitte Fehrle, Stellvertreterin des Chefredakteurs der Berliner Zeitung.
Interessieren Sie sich für Politik, Wirtschaft und Kultur? Woher beziehen Sie Ihre Informationen? Fernsehen, Rundfunk, Internet, Zeitungen? Regionale oder überregionale Zeitungen? Sind Sie mit dem, was Ihnen dort täglich präsentiert wird, zufrieden – oder ärgern Sie sich öfters?
Wolfgang Donsbach, Professor für Kommunikationswissenschaft an der TU Dresden hat sich mit seinem Team der Frage gewidmet, was die Deutschen vom Journalismus erwarten. Was bei dieser bundesweiten repräsentativen Umfrage herauskam, ist ziemlich bitter: In den Augen der Mehrzahl der Bevölkerung sind Journalisten rücksichtslos, intolerant, egoistisch und unehrlich. Sie verfügen über zu viel Macht. Ihre Berichterstattung ist zunehmend emotional, plakativ und provokant, geschrieben in einem leicht verdaulichen Stil. Sie spiegeln nicht die Meinung der Bevölkerung wider, sind nicht Mittler und ehrliche Makler, sondern berichten vor allem das, was ihnen nützt oder eben nur ihrer eigenen Überzeugung entspricht. Bei einer Allensbach-Umfrage zu dem Image von Berufen aus dem Jahre 2005 belegen Journalisten den Platz 18 von 22 – und bilden damit zusammen mit Politikern und Gewerkschaftsführern einen der letzten Plätze.
Weshalb dieser Mangel an Glaubwürdigkeit und Vertrauen? Für die Funktion der Demokratie, die aktive Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger am politischen Willensbildungsprozess vorausgesetzt, sind die Medien von ausschlaggebender Bedeutung. Warum haben die als primitiv geltenden Blätter die höchsten Auflagen? Warum haben selbst bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern die niveauloseren Sendungen die weitaus höheren Einschaltquoten, als die politisch und kulturell anspruchsvolleren? Sind die Quote bzw. die Auflagenhöhe, die wichtigsten Kriterien, an denen sich alles ausrichtet?
Laut Umfrageergebnis ist der Bildungsgrad entscheidend für die Einschätzung der Medienwelt. Wer BILD liest oder nur die seichten TV-Angebote konsumiert, wird andere Ansprüche oder Beurteilungskriterien haben, als jene, die ARTE, 3 SAT oder eine der großen, überregionalen Zeitungen bevorzugen.
Da sich jeder Journalist nennen darf – Werbefachleute , Redakteure von Kundenzeitungen, Blogger, Pressesprecher oder Talk-Show-Unterhalter, gibt es auch kein scharf umrissenes Berufsbild mit klaren Standards und Qualitätsanforderungen. Um den Anforderungen einer Mehrheit der Bevölkerung zu entsprechen, müssten grundlegende Veränderungen durchgesetzt werden: Eine schärfere Eingrenzung und Professionalisierung des Journalistenberufs, die seit langem geforderte Medienerziehung in den Schulen sowie eine größere redaktionelle Unabhängigkeit der Journalisten gegenüber den Wünschen von Eigentümern – und das alles eingebettet in ein Mediengesetz, über dessen Inhalt die streitenden Parteien sich bisher nicht einigen konnten.
Zu den Refernten:
Brigitte Fehrle:
Brigitte Fehrle begann ihre journalistische Karriere während ihres Politikstudiums als freie Journalistin für den Süddeutschen Rundfunk und die „taz“ („Tageszeitung“, Berlin), bei der sie anschließend als Redakteurin für Innenpolitik anfing. Nach sechs Jahren wechselte sie zur „Berliner Zeitung“, erst als landespolitische Korrespondentin, ab 1996 als Ressortleiterin Innenpolitik. Sie stieg zur leitenden Redakteurin und stellvertretenden Chefredakteurin auf, und wechselte 2006 in gleicher Position zur „Frankfurter Rundschau“. 2007 ging sie zur „Die Zeit“, deren Berliner Redaktionsbüro sie bis Februar 2009 leitete. Anschließend ist sie als Stellvertreterin des Chefredakteurs zur „Berliner Zeitung“ zurückgekehrt.
Wolfgang Donsbach:
Nach dem Studium der Publizistikwissenschaft, Politikwissenschaft, Ethnologie und Soziologie an der Universität Mainz, während dessen er als freier Mitarbeiter und Hospitant bei Rundfunk und Fernsehanstalten praktische Erfahrung im Journalismus sammelte, promovierte Wolfgang Donsbach 1981 zum Thema: „Gesellschaftliche Aufgaben der Massenmedien und berufliche Einstellungen von Journalisten“. 1982 erfolgte die Ernennung zum Akademischen Rat an der Universität Mainz und damit die Entscheidung, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. 1989 habilitierte Wolfgang Donsbach im Fach Publizistikwissenschaft, arbeitete als Privatdozent, wechselte mit einem Forschungsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1990 nach New York, wo er auch eine Gastprofessur innehatte. Danach folgten Gastprofessuren an der FU Berlin, in Pamplona (Spanien) und wieder in den USA (Harvard University). 1993 erhielt er den Ruf auf eine Professur für Kommunikationswissenschaften an der TU Dresden, wo er bis 2006 zusätzlich die Position eines Geschäftsführenden Direktors innehatte.
Neben zahlreichen Publikationen ist Professor Donsbach der Herausgeber der anspruchsvollen „International Encyclopedia of Communication (2009).