Gödelitzer Kreis. Für Demokratie und Rechtsstaat.
Am 23. Mai 2009 wird unsere Verfassung, das Grundgesetz, 60 Jahre alt. In diesem Alter stellt sich die Frage: Wie geht es dem Jubilar? Ist er noch bei Kräften oder ist er schon auf dem Altenteil?
Unsere Verfassung, die Grundlage des Rechtsstaates, ist nicht zu allen Zeiten überall populär gewesen. Manche Politiker meinten, nicht immer mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen zu können. Aber in historischen Momenten wurde sie – zu Recht – allseits gelobt. Mit dem 3. Oktober 1990 wurde sie fast diskussionslos in den Ostteil unseres Landes exportiert und bestimmt seither in ganz Deutschland tatsächlich unser Leben.
Der Grundrechtskatalog ist weltweit vorbildlich. Er ist mit einem Denkmal neben den Bundestagsgebäuden an der Spree der Öffentlichkeit täglich vor Augen. Doch dort steht der Text in der Urfassung von 1949. Die heute geltende Fassung hätte da nicht hingepaßt, sie ist zu lang – und nicht mehr ohne weiteres verständlich. Doch wer hütet unsere Verfassung und unseren Rechtsstaat heute? Es ist das Bundesverfassungsgericht. Ohne seine verdienstvolle Rechtsprechung hätte unser Rechtsstaat eine andere Entwicklung genommen.
Wir können seit einigen Jahren und mit zunehmender Häufigkeit Versuche feststellen, die Fesseln der Verfassung zu lockern, um dem Staat immer mehr Eingriffsmöglichkeiten in die Bürgerrechte einzuräumen. Und wenn das Bundesverfassungsgericht dem Grenzen setzt, sinnt unser Verfassungsminister darüber nach, wie man ein Gesetz schaffen kann, mit dem das vom Verfassungsgericht unter Hinweis auf Art. I des Grundgesetzes für schlechthin undenkbar Gehaltene doch noch ermöglicht werden kann. Und – nicht nur – im Wahlkampf werden Forderungen erhoben, die man noch vor Jahren für einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen gemeinsame rechtsstaatliche Überzeugungen verdammt hätte.
Wohin wird uns der der Schock des 11. September und der entfesselte Kampf gegen den Terrorismus noch führen? Wollen wir dem tatenlos zuschauen? Oder sollten wir uns nicht gemeinsam auf die Seite der Verfassung und des Rechtsstaates stellen und uns zusammentun?
Wir sind überzeugt, dass viele Menschen in Deutschland die Entwicklung in unserem Land mit Besorgnis verfolgen. Diese Menschen werden in Gödelitz das Gespräch miteinander suchen. Auf Einladung des Ost-West-Forums haben 9 Experten aus Justiz, Wissenschaft, Politik und Medien auf der ersten Tagung Ende August 2008 den “Gödelitzer Kreis. Für Demokratie und Rechtsstaat” ins Leben gerufen.
Gödelitzer Erklärung zum Rechtsstaat, Februar 2018
Europa: Rechtsstaat und Demokratie in Gefahr. Die Koalitionsvereinbarung schweigt dazu
Wir beobachten, wie Rechtsstaat und Demokratie in Europa in zunehmendem Maße attackiert und schleichend oder ganz offen abgebaut werden. Das gilt für Mitgliedstaaten der Europäischen Union wie auch für benachbarte Länder. Mit Sorge erfüllt uns die politische Entwicklung in Polen, Ungarn, Rumänien, der Tschechischen Republik wie auch und vor allem in der Türkei. Lesen Sie hier die gesamte Erklärung.