Die andere Seite, die uns auf den Boden der nach wie vor bedrohlichen Realität zurückholt, hat die „Berliner Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 10. April 2003 überzeugend beschrieben: „Die Kriegsziele der Vereinigten Staaten waren und sind weder die Beseitigung irakischer Massenvernichtungswaffen noch die Erlösung des irakischen Volkes von einer blutigen Diktatur. Nicht zuletzt hat gerade Washington diese Diktatur in deren blutigster Phase, dem achtjährigen irakisch-iranischen Krieg, massiv unterstützt. Es geht auch nicht einfach nur um den amerikanischen Zugriff auf das irakische Erdöl. Was wir im Irak erleben, ist eine weitere Phase eines Weltordnungskrieges, den die USA im Herbst 2001 unter der Parole „Krieg gegen den Terror“ ausgerufen haben. In seiner Rede zur Lage der Nation im Januar 2002 hat US-Präsident Bush nicht weniger als sechzig Länder der Unterstützung des Terrors beschuldigt und fast ein Drittel der Staatengemeinschaft faktisch unter Kriegsdrohung gestellt. Die USA wollen die Welt nach amerikanischen Gutdünken neu ordnen…“ Dies aber ist nur möglich, wenn man glaubt, genügend militärische Macht zu haben, um das Völkerrecht, die Vereinigten Nationen oder den neu errichteten Weltstrafgerichtshof beiseite schieben und in die Zweitrangigkeit verbannen zu können.
Das Völkerrecht – ein jahrhundertelanger Menschentraum
Aber: Seit Jahrhunderten versucht die zivilisierte Menschheit, Regeln zu finden, die ein friedliches Zusammenleben der Völker ermöglichen. Dieses zähe Ringen der Klugen und Friedfertigen wurde zwar immer wieder durch schreckliche Kriege unterbrochen. Aber je größer die Gräuel, die Zahl der Toten und die Verwüstungen, desto deutlicher wurde auch der Wille, allgemein gültige Normen zu schaffen, die eine friedliche Konfliktregelung schon im Vorfeld ermöglichen und denen sich alle – ob stark oder schwach – zu unterwerfen haben. Im 20. Jahrhundert waren es vor allem die Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika, die mit dem Völkerbund und den Vereinten Nationen nach dem I. und II. Weltkrieg diese Idee förderten. Und mit den Nürnberger Prozessen wurden – als Vorläufer eines Weltstrafgerichtshofes – denn auch erstmals die Verantwortlichen der Verbrechen zur Rechenschaft gezogen. Das war allerdings eine Zeit, in der die Vereinigten Staaten von Amerika nicht alleinige Supermacht waren mit einem schier uneinholbaren Vorsprung in der Waffentechnik. Kann die Regierung von George W. Bush, die nicht einmal durch die Mehrheit der Bevölkerung gewählt wurde, diesen jahrhundertealten Menschheitstraum zerstören? Und: Was würde dies für das künftige Zusammenleben der Völker bedeuten?
Unsere Veranstaltung bietet die Möglichkeit, diese Fragen mit einer Expertin auf dem Gebiet des Völkerrechts zu diskutieren.
Zur Person Herta Däubler-Gmelin:
Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, geboren 1943 in Preßburg. Studium der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft in Tübingen und Berlin. Rechtsanwältin. Unter anderem Mitglied der Kammer für Sozialordnung der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD), der World Women Parlamentarians for Peace, der Parlamentarians for Global Action, der Marie-Schlei-Stiftung und des Kuratoriums „Lebenshilfe“; Schirmherrschaft Bundesarbeitsgemeinschaft Hospiz, Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke, Epilepsie-Selbsthilfegruppe Baden-Württemberg u.a.
Honorarprofessorin an der Freien Universität Berlin.
Seit 1965 Mitglied der SPD, von 1988 – 1999 stellvertretende Parteivorsitzende, seit 1972 Mitglied des Deutschen Bundestages, 1980 – 1983 Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, 1983 – 1989 stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag, 1994 – 1998 Vorsitzende der Arbeitsgruppe Rechtspolitik, 1998 – 2002 Bundesministerin der Justiz. Seit Herbst 2002 Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verbraucher, Ernährung und Landwirtschaft.