Vortrag, Diskussion mit Dr. Gret Haller: Europa und die USA im Umgang mit Staat, Nation und Religion

Ist dies schlichte Unkenntnis? Am Wissen kann es eigentlich nicht liegen – die USA verfügen über eine große Zahl hervorragender Islamwissenschaftler, die allerdings, wie auch bei uns, oft von der Politik ignoriert werden. Oder liegt es an einem anderen Wertesystem, an einer anderen Art, die Welt zu sehen und in ihr zu handeln?

Westliche Wertegemeinschaft als Fiktion

Dr. Gret Haller, unser nächster Gast, war vier Jahr lang Ombudsfrau für Menschenrechte in Bosnien und Herzegowina. Dort hat sie Erfahrungen mit ihren US-amerikanischen Kolleginnen und Kollegen gesammelt, die in der Erkenntnis gipfeln: Die vor allem nach dem 11. September 2001 vielbeschworene westliche Wertegemeinschaft ist eine Fiktion, sie existiert nicht.
Zwischen Europa und den USA gibt es große Differenzen, deren Wurzeln im Verhältnis von Staat und Religion sowie im Umgang mit der Moral liegen. Und der Unterschied begründet sich vor allem aus den Erfahrungen, die beide aus ihrer Geschichte gezogen haben.
Gret Haller hat diese Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst. Dieses Buch, das Egon Bahr als das wichtigste Buch des Jahres 2002 bezeichnete, ist ein aufklärerisches Plädoyer, die europäischen Werte gegen die der USA auf jeden Fall zu verteidigen.

Zur Person Gret Haller:

Gret Haller, geboren 1947 in Zürich, Juristin, zunächst als Anwältin tätig. 1984-1988 Mitglied der Regierung der Stadt Bern. 1987-1994 Abgeordnete des Schweizerischen Parlaments sowie der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und später der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). 1993-1994 Präsidentin des Schweizerischen Parlaments. 1994-1996 Botschafterin der Schweiz beim Europarat in Straßburg. 1996-2000 Ombudsfrau für Menschenrechte des Staates Bosnien und Herzegowina in Sarajewo, gewählt durch die OSZE. Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenpublikationen zur Gleichstellung von Mann und Frau, zu Menschenrechten und Menschenrechtskultur.