Wahrheit auf den Teller! Die seltsamen Praktiken der Lebensmittelindustrie

Veranstaltung am 19. September 2009

Vortrag und Gespräch mit dem Geschäftsführer der zivilgesellschaftlichen Organisation Foodwatch e.V. Thilo Bode

“Alles frisch auf den Tisch“ lautete zu Großmutters Zeiten das Motto für die gesunde Ernährung. Und die Lobbyisten der Nahrungs- und Lebensmittelindustrie berufen sich immer noch darauf, wenn sie die Frische und hohe Qualität ihrer Waren anpreisen. In ihren Anzeigen und Werbefilmen bauen die Vertreter der Lebensmittelher­steller eine Traumwelt aus natürlichem Anbau, gesunden Produkten und vollmundigem Geschmack auf, ohne auch nur mit einem Wort die industrielle Massenproduktion zu erwähnen.

Die Taktik der Lebensmittelindustrie ging lange Zeit auf. Zugunsten längerer Haltbarkeit ihrer Produkte und aufgrund des Preisdrucks durch die Konkurrenz beschäftigte sie sich lange unbemerkt damit, die Natur billig zu kopieren. Der Verbraucher erfuhr davon herzlich wenig. Seit aber ein Lebensmittelskandal den nächsten jagt, sind die Verbraucher hellhörig und sensibel für das Thema geworden.

Die zivilgesellschaftliche Organisation Foodwatch hatte schon vor den manipulativen Eingriffen der industriellen Nahrungshersteller gewarnt, als an Gammelfleischskandale und gentechnisch veränderte Nahrungsmittel noch nicht zu denken war. Auf dem Höhepunkt der Rinderwahn-Krise gründete sich die Organisation mit dem Ziel, die Verbraucher mit genügend Informationen auszustatten, um „verantwortliche Entscheidungen für ihre Ernährung“ treffen zu können. Seither betreibt die in Berlin ansässige Organisation eine für die Nahrungsmittelindustrie unbequeme Aufklärungsarbeit.

Zum Beispiel nimmt Foodwatch die Werbebotschaften der Lebensmittelindustrie unter die Lupe und legt damit die systematischen Täuschungsversuche am Verbraucher offen. Zum Beispiel bei der Capri-Sonne, diesem kleinen Sportgetränk mit „gesunden Früchten“. Alles Lüge, meint die Organisation, denn lediglich ein Zehntel des Getränks besteht aus Saft, der Rest ist Wasser, Zucker und Aromen. Besonders dreist ist aber die Werbung des Joghurt-Herstellers Danone. Dieser bewirbt sein Joghurt-Getränk Actimel erfolgreich mit dem Slogan „Actimel activiert Abwehrkräfte – wissenschaftlich bewiesen“. Der Joghurt-Drink ist damit zum Umsatzchampion im Kühlregal geworden. Und auch hier Etikettenschwindel. Weder regt der Verzehr des Joghurts die Immunabwehr sonderlich an, noch stärkt er die Darmflora besser, als jedes andere milchsaure Produkt. Einzig die bis zu zwölf Prozent Zucker hat der Drink einem Naturjoghurt voraus.

Die Organisation unter der Leitung von Thilo Bode dokumentiert außerdem die zahlreichen Lebens- und Futtermittelskandale, überwacht die Entwicklung im Bereich Gentechnik und klärt über die Überschreitung von Grenzwerten bei krebserregenden Zusatzstoffen auf. Nebenbei bemerkt, wussten sie, dass diese Zusatzstoffe meist synthetisch aus Zutaten wie Schimmelpilzen, Holzresten, Papierstreifen oder Erdölbestandteilen hergestellt werden? Das ist kein Witz!

Wer jetzt meint, dann könne man ja gar nichts mehr essen, ist auch auf dem Holzweg. Es gibt tatsächlich viele Lebensmittel, die erstens gesund sind und zweitens auch halten, was sie versprechen. Doch man kann sie kaum erkennen. Ein Anliegen der Organisation ist es daher, diese Lebensmittel zu markieren, so dass der Verbraucher sie erkennt. Daher fordert sie eine einheitliche Ampel-Kennzeichnung auf allen Produkten, um die Nährwerte vergleichbar machen. So kann man schnell sehen, wie gesund ein Produkt im Vergleich zu einem anderen ist.  Ein Smiley-System soll außerdem transparent machen, welche Hersteller bei Lebensmittelkontrollen gut abschneiden und welche schlecht. All das lehnt die Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner ab, die Lobbyisten der Lebensmittelindustrie stärken ihr dabei den Rücken.

Foodwatch e.V. macht die Arbeit des Verbraucherschutzministeriums, ohne auf Lobbyisten Rücksicht nehmen zu müssen – politisch unabhängig und im Sinne des Verbrauchers. Wer echte Aufklärung in Sachen Ernährung will, ist hier richtig.


 

Zur Person:

bodethilo_schleier_72dpi_quer_gerThilo Bode wurde am 14. Januar 1947 in Eching am Ammersee geboren. Nach seiner Schulzeit engagierte er sich bei den Jungen Sozialdemokraten. An den Universitäten in München und Regensburg studierte er Soziologie und Volkswirtschaften. 1972 schloss er sein Studium als Diplom-Volkswirt ab, 1975 promovierte er.
Anschließend arbeitete er für ein Beratungsunternehmen im Energie-, Wasser- und Verkehrssektor. Danach wechselte er zur Kreditanstalt für Wiederaufbau. Später war er als Vorstandsassistent für einen mittelständigen Metallkonzern tätig. 1989 wechselte Thilo Bode zur deutschen Sektion von Greenpeace, wo er bis 1995 die Geschäfte leitete. Von 1995 bis 2001 war er Geschäftsführer von Greenpeace International. 2002 gründete er die zivilgesellschaftliche Organisation Foodwatch e.V., die er seitdem leitet.