Döbelner Anzeiger – “Hartz – IV ist offener Strafvollzug”

Götz Werner, Gründer der Drogeriemarktkette dm, stellt seine Vision vom bedingungslosen Grundeinkommen vor.

Montag, 06.12.2010 von Dagmar Doms-Berger

Gödelitz. Der dm-Drogeriemarkt-Gründer Götz Werner gehört zu den erfolgreichsten Unternehmern und ist Visionär. Er ist ein Verfechter der These, dass der Staat jedem Menschen, unabhängig von Alter und Beruf, ein bedingungsloses Grundeinkommen geben sollte. Seine verblüffende Idee hat er am Sonnabend den Zuhörern des Ost-West-Forums Gut Gödelitz vorgestellt. Rund 250 Gäste waren gekommen. Das Thema interessierte.

1.000 Euro für jeden

Seine These basiert auf der Erkenntnis, dass die technologische Entwicklung und die damit einhergehende hohe Produktivität eine Vollbeschäftigung künftig nahezu illusorisch machen. Das Grundeinkommen – 1.000 Euro für jeden – ermöglicht ein bescheidenes, aber menschenwürdiges Leben und die Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Niemand ist damit gezwungen, arbeiten zu gehen. Dieses Geld verhilft jedem Einzelnen dazu, freie Entscheidungen zu treffen.

“Wenn man über kein Grundeinkommen verfügt, ist man im Nein-Sagen begrenzt”, sagt Götz Werner und zielt damit auf die Opferrollen der Arbeitnehmer. Die heutigen Transferleistungen basieren auf Zwang und Abhängigkeit. Mit der Hartz-IV-Regelung würden die Leute gezwungen, eine Arbeit zu machen, die sie oftmals gar nicht wollen. “Hartz-IV ist offener Strafvollzug”, urteilt Götz Werner. Diese Regelung entziehe jedem Betroffenen einen Teil seiner bürgerlichen Rechte. Artikel 1 des Grundgesetztes “Die menschliche Würde ist unantastbar” sei damit nicht gewährleistet. Dass die Gesellschaft so etwas zulasse, betrachtet Werner als Skandal und erntet dafür Applaus.

Zuschauer sind skeptisch

Geld ohne zu arbeiten? Wie kann dies funktionieren? Wer soll noch produzieren? Wer macht die Arbeit, die niemand gerne tut? Manche Zuhörer bleiben skeptisch. Für die Zweifler ist das Grundeinkommen Illusion und mit dem heutigen Menschenbild nicht realisierbar. Es gebe zu viele, die nicht arbeiten würden. Darauf hat Götz Werner eine Antwort. Arbeit und Einkommen wären mit dem bedingungslosen Grundeinkommen nicht mehr gekoppelt. Er sieht mit der Unterstellung, dass viele nicht mehr arbeiten gehen würden ein Kulturproblem unserer Gesellschaft. Heute seien doch nur jene unmotiviert, die in ihrer Arbeit keinen Sinn sehen.

Mit dem Grundeinkommen wäre für die Lebensgrundlage gesorgt. Sie könnten sich eine Arbeit suchen, die sie gern tun. Und Arbeiten, die niemand gern macht, müssten attraktiver gestaltet werden, zum Beispiel durch bessere Bezahlung. Und finanziert werden soll das ganze durch die Umstellung des gegenwärtigen Steuersystems von der Einkommens- und Ertragsbesteuerung auf die Konsumbesteuerung.

Dass es in der Bundesrepublik noch kein Grundeinkommen gibt, liege an unserem Denken, so der Unternehmer. “Die Welt verändert sich durch unser Denken.” Werner räumt auf mit Denkirrtümern und versucht, das Publikum in seine anthroposophische Unternehmensphilosophie mitzunehmen. Er glaubt an die Persönlichkeitsentwicklung durch selbstbestimmtes Arbeiten. Das garantierte Grundeinkommen würde die Gesellschaft völlig verändern. Dass die exotisch anmutenden Sichtweisen und sein unautoritäres Führungskonzept von Erfolg gekrönt sind, hat der Unternehmer mit seiner Drogeriekette bewiesen. Des öfteren wurde dm für seine hohe Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit ausgezeichnet.