Veranstaltung am 1.12.2012
Längst hätten bei den Verfassungsorganen die Alarmglocken läuten müssen! Vor dem Republik-Feiertag am 3. Oktober warnte der Bundesinnenminister vor einer Unterwanderung ganzer Landstriche in Ostdeutschland durch Neo-Nazis. Die Tageszeitung (taz) berichtet am 25. Oktober, dass Thüringen sein Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit nur noch auf den Rechtsextremismus ausrichten wird. In Sachsen finden derweil genehmigte Aufmärsche der NPD vor Flüchtlingsheimen und muslimischen Gebetshäusern statt! Bemühungen zur lokalen Stärkung zivilgesellschaftlichem Engagements (z.B. Demokratie-Trainerausbildung des Vereins „Gesicht Zeigen!”) reichen nicht aus, solange der Staat sich zögernd zurück hält.
Die Gefahr ist hoch, dass der demokratische Konsens der Gesellschaft von vielen nicht mehr für bindend erachtet wird. Seit Jahren zeigen Studien eine wachsende Tendenz zur Entsolidarisierung der Gesellschaft auf. Die Angst, den eigenen Status zu verlieren, die zur Abwertung und Ausgrenzung von Menschengruppen führt, ist längst kein Randgruppen-problem mehr, sondern hat die Mitte der Gesellschaft erreicht. Soziale Vereisung und Verunsicherung der Mitte sind bedrohlich. Die wiederholten Aufmärsche der Rechten am 13. Februar in Dresden, der bedrückende NSU-Terror vor unserer Haustür machen die Aufdeckung der Wurzeln menschenverachtender Einstellungen und Taten dringend erforderlich.
Das ost-west-forum Gut Gödelitz ist ein Ort, wo z.B. in Biografie-gesprächen, der WerteAkademie und öffentlichen Diskussionen eine Stärkung humaner Lebenshaltungen unterstützt wird und wo nach Strategien der Zurückdrängung extremistischer Lebenshaltungen gesucht wird.
Seit 2002 werden im Arbeitskreis um Prof. Dr. Elmar Brähler an der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig in
Zwei-Jahres-Abständen zum Thema „Rechtsextremismus” repräsentative Untersuchungen durchgeführt. Die jüngste Studie 2012 wurde als Buchpublikation des Dietz-Verlages am
12. November in Berlin vorgestellt und fand viel Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt stehen Befunde zu den Fragen: Wie demokratiefähig ist die Mitte der Gesellschaft in Zeiten des Umbruchs? Wie wirken sich Belastungen und Bedrohungsgefühle aus? Wie reagieren die Menschen auf globale Herausforderungen und wo droht der Gesellschaft Gefahr? Das Forscherteam und Dr. Oliver Decker um Prof. Dr. Elmar Brähler geht der Frage nach, wie heute der virtuelle Raum des Internets genutzt wird und welche Konsequenzen das für gesellschaftliche Partizipation hat. Auf breiter empirischer Basis wird die aktuelle Situation beschrieben und werden Handlungsoptionen für Politik und Zivilgesellschaft abgeleitet.
Gerne haben wir Prof. Dr. Brähler erneut als Referenten auf Gut Gödelitz begrüßt. Damit ergab sich für uns die Gelegenheit, an Themenfelder und Diskussionen anzuknüpfen, die das ost-west-forum seit seiner Gründung bewegen.
Zur Person:
Prof. Dr. Elmar Brähler , geboren 1946 in Fulda, studierte von 1965 bis 1970 in Gießen Mathematik. 1976 promovierte der Diplommathematiker in Ulm zum Dr. rer. biol. hum., 1980 habilitierte er in medizinischer Psychologie in Gießen, wo er 1985 zum Honorarprofessor ernannt wurde. Von 1969 bis 1994 war er tätig am Zentrum für Psychosomatische Medizin in Gießen (Direktor: Prof. Dr. Dr. Horst-Eberhard Richter) und von 1991 bis 1994 hatte er eine Gastprofessur im Rahmen des Hochschulsonderprogrammes an der Universität Leipzig inne. Seit 1994 ist er der Leiter der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig. Letzte Veröffentlichung: “Deutsche – zehn Jahre nach der Wende”.