Sächsische Zeitung: Wie die CIA nach dem 11. September Verdächtige misshandelte

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Wie die CIA nach dem 11. September Verdächtige misshandelte

Der US-Senat deckt die Foltermethoden auf. Bestraft wurde bisher niemand. Wolfgang Neškovic spricht auf Gödelitz auch über die Rolle Deutschlands.

11.04.2016 Von Dagmar Doms-Berger

Abu Zubaydah wurde verdächtigt, zum inneren Kreis Osama Bin Ladens zu gehören. Er kam in Pakistan ins Gefängnis. Seine Peiniger ließen ihn nackt und setzten ihn dem Schlafentzug aus. Jedes Mal, wenn Abu Zubaydah leugnete, über Informationen zu verfügen, schlugen ihn die Verhörbeamten ins Gesicht oder übten einen fixierenden Gesichtsgriff aus. Dann setzten sie ihn dem Waterboarding (simuliertes Ertränken, Anm. d. Red.) aus. Über zweieinhalb Stunden hustete und übergab sich das Opfer und hatte „reflexartige Zuckungen des Oberkörpers und der Extremitäten“. Das ging bis zur Bewusstlosigkeit. – Es war schwere Kost, die sich die Zuhörer auf Gut Gödelitz zumuteten. Die gräulichen Beschreibungen, die sich wie eine Abhandlung über die Foltermethoden aus dem Mittelalter lesen, entstammen keiner Fiktion eines Roman-Autors, sondern sind Fakten aus dem CIA-Folterreport, den der Geheimdienstausschuss des US-Senates Ende 2014 veröffentlichte. Seit 2015 liegt der Report in deutscher Sprache vor. Der Herausgeber der deutschen Übersetzung war zu Gast im Ost-West-Forum Gut Gödelitz. Wolfgang Neškovic, ehemaliger Bundesrichter und Bundestagsabgeordneter sowie Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die deutschen Nachrichtendienste, erläuterte den Zuhörern Details und Hintergründe. Zu Gast war ebenfalls der sächsische Schauspieler Friedrich Wilhelm Junge. Er las Passagen aus dem Folterbericht.

„Der Folterbericht ist ein einzigartiges Dokument von historischer Dimension“, sagte Wolfgang Neškovic. „Jeder der wissen will, wozu Staaten, die Rechtsstaaten sein sollen, fähig sind, sollte das Nachschlagewerk über die Foltermethoden der CIA in seinem Bücherregal haben.“ Für den Juristen steht fest: Folter kann durch nichts gerechtfertigt werden. Im Rechtsstaat heiligt der Zweck nicht die Mittel. Folter ist eine Menschenrechtsverletzung. Darüber hinaus zeigt das Dokument die Verzahnung der CIA mit anderen Regierungsorganisationen innerhalb und außerhalb der USA.

Von großer Bedeutung ist das Dokument deshalb, weil es belegt, wie die CIA Politik und Öffentlichkeit nicht nur über das Ausmaß, sondern auch über die Wirksamkeit der Methoden belogen hat. Denn keine der Folterungen habe zu Erfolgen geführt, so Neškovic. Erschreckend sei auch die Privatisierung der Folter. In Vorbereitung wurden zwei private Psychologen engagiert, die den Auftrag hatten, Foltermethoden zu kreieren. 81 Millionen Dollar hat die CIA dafür bezahlt. „Menschen verdienen, werden Millionäre, indem sie erklären, wie andere Menschen gefoltert werden. Das ist grauenvoll.“

Das Programm ist letztlich zusammengebrochen, weil Whistleblower und Presse dazu beigetragen haben, dass sich öffentlicher Widerstand regt. Fest steht: Die USA haben sich strafbar gemacht und die Täter müssten zur Verantwortung gezogen werden. Dazu kam es aber bisher nicht. „Es gibt in Deutschland rechtliche Handlungsmöglichkeiten, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Davon muss aber Gebrauch gemacht werden“, so der Jurist. Denn die Herrschaft des Rechts gelte auch für die Amerikaner. Das habe Frau Merkel offenbar nicht verstanden. In Deutschland gäbe es das Völkerstrafgesetzbuch, das die Folgen von Straftaten gegen das Völkerrecht regelt, der Generalbundesanwalt könne also tätig werden, wenn der Justizminister dies anweise. Herr Maas aber habe bisher nichts unternommen.