In der Reihe Zeitzeugen steht die Biografie eines Mannes im Mittelpunkt, in der sich deutsche Geschichte und deutscher Idealismus auf sehr einprägsame Weise widerspiegeln: Gustav Justs Biografie.
Zur Person:
Geboren wurde Gustav Just 1921 als Sohn eines Arbeiters in Nordböhmen; nachdem er prägende Jahre bei der Bündischen Jugend verbracht hatte, erlag er der Faszination nationalsozialistischer Weltanschaaung und meldete sich als 19-Jähriger freiwillig zum Kriegseinsatz. Mit Kriegsende hatte er den für seine Generation so bitteren geistigen und seelischen Zusammenbruch zu verkraften.
Die Scham über die faschistischen Verbrechen und die Suche nach einer gerechteren und friedenswilligeren Welt führte ihn in die Reihen der Kommunisten. Er wurde SED-Mitglied, engagierte sich in der Kulturpolitik der neugegründeten DDR. Er glaubte, dem besseren der beiden Teile Deutschlands zu dienen. Wie viele andere unterdrückte er erste Zweifel. Erst mit den Enthüllungen Chruschtschows beim XX. Parteitag der KPdSU über die stalinistischen Verbrechen wurde ihm klar, dass die von Ulbricht verkörperte stalinistische Politik dem Sozialismus auf deutschem Boden keine Chance geben würde. Mit Harich, Janka, Zöger und anderen diskutierte er in kleinen Runden demokratische Reformkonzepte – auch mit dem Ziel, der Vereinigung beider deutscher Staaten näher zu kommen. 1957 wurde er “als Mitglied der Harich-Gruppe” verhaftet und verbüßte vier Jahre in Bautzen. Nach seiner Freilassung arbeitete er, zurückgezogen vom offiziellen Politikbetrieb der DDR, als freier Übersetzer tschechischer und slowakischer Literatur.
Mit der Wende engagierte er sich in der neugegründeten Ost-SPD, wurde Landtagsabgeordneter im neuen brandenburgischen Parlament und dessen erster Alterspräsident. Politik hatte für den fast 70-Jährigen wieder einen Sinn bekommen. Bis ihn eine Eintragung in sein Kriegstagebuch – von der Stasi verwahrt und von politischen Gegnern im vereinten Deutschland in die Medien lanciert – zu Fall brachte. Er musste zurücktreten, zum Bedauern seiner vielen Freunde und Mitstreiter.
Im Jahre 2001 veröffentlichte er seine Erinnerungen unter dem Titel: “Deutsch, Jahrgang 1921. Ein Lebensbericht”. Er schreibt: “Mit meinen nun 80 Jahren habe ich auf mein Leben zurückgeschaut, ein Leben mit Irrungen und Wirrungen, mit Brüchen und Widersprüchen. In weiten Bereichen symptomatisch für meine Generation in diesem 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert von großen Kriegen und Völkermord, beherrscht von totalitären Ideologien, denen Millionen gläubiger Idealisten, aber auch brutale Gewalttäter anhingen. Meinen Anteil daran versuchte ich darzulegen, so wie ich ihn im Zeitpunkt des Geschehens gesehen habe, unbeeinflusst von meinen heutigen Einsichten, Erfahrungen, Erkenntnissen.”