Vortrag und Diskussion mit: Dr. Tilmann Moser: Politik und seelischer Untergrund

Das Verdrängen funktionierte nach dem Zusammenbruch der DDR nicht mehr. Sichtbar wurde dies durch rechtsradikale Gewalt und Gesinnung, denn es gäbe Formen „der untergründigen Bewertung und Tradierung von Gewalt in den Familien, auf das unkenntlich gewordene Fortleben total unverdauter und inzwischen intergenerativ entstellter Fragmente nicht nur von NS-Ideologie, sondern auch von unverarbeitetem Leid und eingemotteten Teilen der Biographien von Eltern und Grosseltern … von inzwischen drei Generationen von NS-Mitläufern und -tätern, von Kriegsopfern, von seelischen Opfern des schweigenden Wiederaufbaus und der neuen Diktatur des Sozialismus mit dem stählernen Deckel der Vergangenheit“.

Tilmann Moser nimmt als Schriftsteller wie auch als Therapeut die Position eines Forschers durch die Generationen ein, um uns immer neu zu erklären, wie Gewalt in den Familien und in der Gesellschaft entstehen kann.


 

zur Person:

moserDr. Tilmann Moser, geboren 1938, studierte Philologie, Politik und Soziologie in Tübingen, Berlin, Paris und Frankfurt/Main. Er war Dozent für Kriminologie und Psychoanalyse am Frankfurter Sigmund-Freud-Institut und arbeitet als Analytiker seit 1979 in freier Praxis in Freiburg.

Er ist ein Kämpfer und radikaler Denker und hat drei wichtige Tabus seiner Zunft gebrochen:
Mit dem Buch „Lehrjahre auf der Couch“ hat er das Gebot der geheimnisvollen, undurchschaubaren Therapeuten aufgehoben, indem er über die eigene Lehrtherapie schrieb, was einem Skandal gleichkam.
Mit der Körpertherapie hat er die von Siegmund Freud festgelegte therapeutische „Körperlosigkeit“ in Frage gestellt und die Psychoanalyse um den so unendlich wichtigen Körperbezug erweitert.
Mit den Fragen nach dem nationalsozialistischen Hintergrund der deutschen Psychoanalytiker und ihrer Vereinigungen hat er einen politischen Skandal entfacht.

Außerdem war sein Buch über die „Gottesvergiftung“ eine Offenbarung für viele Menschen, die durch falsch verstandene religiöse Erziehung in der Nachkriegszeit gelitten haben. Zudem bieten seine erschütternden Fallgeschichten zu Opfer- und Täterschicksalen durch Krieg und Nationalsozialismus ein breites Spektrum an Möglichkeiten der therapeutischen Aufarbeitungen von ungeheuerlichen Verstrickungen.