Politiker von heute
Noch etwas beobachtet Leinemann: Die Politiker sind von Generation zu Generation schicksalsärmer, farbloser und austauschbarer geworden. Waren die Alten noch zutiefst von den Schrecken des Krieges geprägt, hatten ein „inneres Geländer“, das ihnen Halt und Richtung gab, erweisen sich die Jüngeren anfälliger für die Privilegien und die hektische Selbstgenügsamkeit des politischen Betriebes. Das Fernsehen verstärkt diese Tendenz, es stellt eine Ersatzwirklichkeit bereit, in der die Polit-Profis ihr Ego aufblähen und ihre faktische Ohnmacht verdrängen können.
Jürgen Leinemann schreibt nicht aus der Sicht eines moralisch Vollkommenen. Er selbst war süchtig nach Arbeit, Erfolg und Anerkennung – und nach Alkohol. Erst nach seinem physischen und psychischen Zusammenbruch konnte er zum Mahnenden werden, konnte dieses Buch schreiben – ohne Häme, eher mit der bedauernden Frage: Mussten sich Menschen so deformieren lassen?
zur Person:
Jürgen Leinemann wurde 1937 in Celle (Niedersachsen) geboren. Er studierte Geschichte, Germanistik und Philosophie.
Seit 1971 arbeitet er für den Spiegel, er war Büroleiter in Washington und Bonn, leitete von 1990 bis 2001 in Berlin das Ressort Deutsche Politik. Seit 2002 ist er Spiegel-Autor im Berliner Büro.
Er ist Träger des Egon-Erwin-Kisch-Preises.