Carola Stern ist eine der beeindruckensten westdeutschen Publizistinnen und Autorinnen. Mit ihrer ersten Ulbricht-Biografie, die sie nach ihrer Flucht aus der DDR veröffentlichte, ist sie weit über den Fachkreis der SED-Experten hinaus bekannt geworden. Als Journalistin beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) fiel sie durch ihre ungewöhnlich brillanten und mutigen Kommentare auf.
Sie engagierte sich vor allem für die Ostpolitik, die Rechte der Frauen, die Friedensbewegung und die Menschenrechte. 1961 gehörte sie neben Gerd Ruge zu den Mitbegründern der Deutschen Sektion von amnesty international. Nach Ihrer Pensionierung bedenkt Carola Stern ihr Leben.
Zwei deutsche Schicksale
Als junges Mädchen ist sie begeisterte Anhängerin Hitlers, ist „Jungmädelführerin“ beim BDM gewesen. Mit Kriegsende bricht für die 20-Jährige eine Welt zusammen. Sie wird Mitglied der SED und macht an der Parteihochschule Karriere. Gleichzeitig wird sie Agentin der Amerikaner, um so die krebskranke Mutter medizinisch versorgen zu können. Kurz vor der Verhaftung flieht sie in den Westen. In den späteren Jahren heiratet sie Heinz Zöger, ebenfalls Redakteur beim WDR.
Zöger war Kommunist, beteiligte sich aktiv am Widerstand gegen Hitler, wurde verhaftet und saß jahrelang im Gefängnis. In der DDR wurde der zuverlässige Genosse erst Leiter der Abteilung Kontrolle, also Zensor, beim Berliner Rundfunk, später Chefredakteur des „Sonntag“. Dass er nach der Geheimrede Chruschtschows auch für die DDR die Entstalinisierung und grundlegende Reformen forderte, wurde ihm zum Verhängnis. Zusammen mit Wolfgang Harich, Walter Janka, Gustav Just und anderen wurde er verhaftet, angeklagt und zu jahrelanger Haft in Bautzen verurteilt. Diesmal von seinen Freunden und Genossen. 1959 war seine Strafe abgelaufen. Er ging in den Westen. 2000 starb er.
Zwei deutsche Schicksale. Eine ehemalige Nationalsozialistin und ein ehemaliger Kommunist finden zusammen und kämpfen für eine Gesellschaft, in der Demokratie und Menschenechte verwirklicht sind.
Carola Stern las aus zwei biografischen Werken: „Doppelleben“ und „In den Netzen der Erinnerung“.
Das Datum unserer Veranstaltung fiel auf den Vorabend des Kriegsendes vor 60 Jahren. Dieser Jahrestag wird landauf landab mit Gedenkfeiern gewürdigt.
Zur Person:
Carola Stern wurde als Erika Assmus 1925 auf der Insel Usedom geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitete sie als Lehrerin in der DDR. Nach ihrer Flucht nach West-Berlin erwarb sie sich durch verschiedene Veröffentlichungen einen Ruf als DDR-Expertin. Zweimal versuchte der Staatsicherheitsdienst der DDR, sie zu entführen. Deshalb schrieb sie ihre journalistischen Arbeiten unter dem Pseudonym Carola Stern.
In den 60er Jahren leitete sie das politische Lektorat des Kölner Verlages Kiepenheuer & Witsch. Ab 1970 arbeitete sie als Redakteurin und Kommentatorin beim Westdeutschen Rundfunk (WDR).
Nach ihrer Pensionierung beschrieb sie in zwei Büchern ihr Leben und veröffentlichte eine Reihe erfolgreicher Biografien – über Dorothea Schlegel, Rahel Levin Varnhagen, über Bertolt Brecht und Helene Weigel und andere.
Carola Stern lebte in Berlin und auf der Insel Usedom. Sie starb am 19. Januar 2006. Ihre Grabstätte befindet sich auf der Insel Usedom.