Döbelner Anzeiger Mehr Wettbewerb statt Umverteilung

Einen Umsteuern bei der Europäischen Union hat gestern der Sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt auf Gut Gödelitz gefordert.

22. August 2005

„Europa für wen?“ – damit war die zweite „Gödelitzer Rede“ Milbradts unterschrieben, die er auf Einladung des Ost-West-Forums in der Scheune des Gutes hielt.

Europa stehe vor einer Entscheidung, sagte Milbradt: „Wollen wir den Bürgern den Freiraum geben, ihre Ideen zu verwirklichen oder steht die Umverteilung zur Wahrung der sozialen Gerechtigkeit an erster Stelle?“ Milbradt hat die Frage für sich beantwortet. Ihr Wohlstandsversprechen gegenüber den Europäern werde die EU nicht halten können, wenn sie weiterhin munter subventioniert, statt das Geld in die Zukunft zu investieren. Wenn soziale Unterschiede ausgebügelt werden, statt den Wettbewerb zuzulassen.

Rund 40 Prozent des EU-Budget werden für Agrarsubventionen statt für Zukunftsinvestitionen ausgegeben, rechnet Milbradt vor. Die EU verzettle sich im Kleinklein und verärgere damit die Bürger. Schwaches Wachstum und mangelnde Innovationskraft seinen die Folge. „Warum muss die EU Richtlinien für Kaffeepackungen und Traktoren herausgeben?“, fragte Milbradt.

Um die Lebensverhältnisse in den EU-Ländern anzugleichen, würden solche Projekte wie eine Sprungschanze in Brandenburg oder eine Überlandpferdebahn zwischen Linz und Budweis gefördert. „Aber Unterschiede sind doch etwas völlig normales. Das ist wie beim Segeln. Bei gleichen Druckverhältnissen herrscht Flaute.“

Damit Europa der leistungsfähigste Wirtschaftsraum der Welt wird, müsse Wettbewerb im Inneren zugelassen werden, so Milbradt. Das habe allerdings Folgen. In einem Einheitsmarkt komme es immer zur Angleichung von Lohnkosten. „Besonders die Minderqualifizierten sind diesem Wettbewerb schutzlos ausgeliefert. Daran ist nichts zu ändern“, so Milbradt. Statt auf Mindestlöhne orientiert er auf Zuschüsse vom Staat. „Sonst wird nur die Produktion in Deutschland verhindert.“

Die Idee einer europäischen Gemeinschaft sei nicht überholt. „Es ist unverständlich, dass man gegen das Projekt Europa sein kann. Es hat uns 60 Jahre Frieden beschert“, sagte Milbradt. Die Völker spürten aber ein großes Unbehagen, die sich in der Ablehnung der EU-Verfassung durch die Holländer und Franzosen manifestiert. Die Ursachen glaubt Milbradt ausgemacht zu haben. „Die Europäische Union produziert absurde Ergebnisse“. Und: „Es gibt ein großes Demokratiedefizit. Die Wahlen des Europäischen Parlaments sind nicht richtungsweisend.“ Die Bürger, so Milbradt, hätten den Eindruck, dass das Wohlstandsversprechen der EU angesichts von 20 Millionen Arbeitslosen und weniger Wachstum als in Amerika auf wackligen Füßen steht.

Dabei sei die Europäische Union in einigen Bereichen sehr heilsam gewesen. „Telefon und Internet sind erheblich billiger geworden. Die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes ist unter Druck der EU zustande gekommen“, so Milbradt.

Jens Hoyer