Döbelner Allgemeine Zeitung – Milbradt fordert mehr Wettbewerb

22. August 2005

Gödelitz. In seiner zweiten Gödelitzer Rede wandte sich Ministerpräsident Georg Milbradt vehement gegen eine Europapolitik der sozialen Gleichmacherei. Vielmehr gelte es, die Unterschiede als identitätsstiftend zu akzeptieren und als Entwicklungschance zu nutzen.


“Wir müssen den Realitäten ins Auge sehen”, sagte Milbradt, “und daraus die richtigen Schlüsse ziehen.” Die deutsche und europäische Realität beschrieb der Ministerpräsident indes so: Unser Staat ist mit den insgesamt 1,4 Billionen Euro Schulden bankrott, beim Bruttoinlandsprodukt sind wir auf den elften Rang innerhalb der europäischen Union zurückgefallen. Vom einstigen Motor sei Deutschland zum Bremsklotz Europas geworden.

Da die Situation in den EU-Kernländern Italien und Frankreich ähnlich aussehe, sei es kein Wunder, dass der Glaube an die europäische Idee abnehme, die auf zwei Säulen ruhe. Die erste, dauerhafter Friede innerhalb Europas, stufte Milbradt als verwirklicht ein, an der zweiten, dem Versprechen allgemeinen Wohlstands, drohe die Gemeinschaft allerdings zu zerbrechen. Ursächlich dafür verantwortlich seien Brüsseler Regulierungswut und unkoordiniertes Wachstum der europäischen Union. Der EU-Beitritt der Türkei beispielsweise sei ein kulturelles Wagnis, aber vor allem ein finanzielles Problem – auch für Sachsen, zumal neue Subventionen und Ausgleichszahlungen nur auf Kosten der strukturschwachen Regionen der alten Mitgliedsländer, also auch Sachsens, gehen könne.

Das Schwert zur Lösung dieses gordischen Knotens sei die Akzeptanz der Unterschiede innerhalb Europas, nur aus Unterschied könne Identität und Wettbewerb erwachsen. Statt regulierend Armut zu verwalten und Skisprungschanzen in Brandenburg zu subventionieren oder Radwege in Griechenland, müsse Europa auf soziale Gleichmacherei verzichten. In Bezug auf die Lohnpolitik könne das beispielsweise heißen, Niedriglöhne zu akzeptieren und statt Mindestlöhnen ein Modell von Lohnausgleichszahlungen zu implementieren.

Als Vorbild nannte Milbradt die Politik Tony Blairs, die er freilich nicht als dessen eigenes Verdienst wertete. Blair ernte vielmehr, was seine konservativen Vorgänger Margret Thatcher und John Major gesät hätten. Die spannende Frage, ob sein Ja zu mehr Wettbewerb nicht vor allem zugunsten der großen Konzerne ausfalle, ließ Milbradt bedauerlicherweise unberührt.

Thomas Staudt