Kann Schweden mit seiner Politik und seinem Sozialstaat für Deutschland ein Vorbild oder sogar Maßstab sein?
6. Dezember 2005
Gerade jetzt nach der von Bundeskanzlerin Angela Merkel verkündeten Absicht zur Umgestaltung unseres Staates bewegt viele die Frage nach dem „Wie“. Auf der Suche nach Modellen und Wegen wird dabei oft in Richtung Skandinavien geschaut. Schweden hat nach Jahren schwerer Krise am Anfang der 90er Jahre bewiesen, dass im Zuge der Globalisierung ein Land auf seine eigenen Ziele nach sozialer Demokratie nicht verzichten braucht.
Aber wie muss ein Staat funktionieren, was muss er für seine Menschen tun, um dies zu bewerkstelligen? Der schwedische Botschafter in Berlin, Carl Tham, gab beim Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz darauf zwar keine Antwort. Doch er zeigte Wege auf, über die es sich auch für Deutschland lohnt, intensiver nachzudenken.
Immer mehr begeben sich Länder international in Abhängigkeit des Kapitals. Dessen neue Freiheit fördert seine Machtstellung und zwingt Gesellschaften zu immer mehr Einschnitten vor allen in sozialen Bereichen. Der Staat sei kein Wohlfahrtsverband, lautet die Begründung, die sich in Deutschland zusehends breit macht.
Doch Schweden hat gezeigt, dass man den Sozialstaat nicht aufgeben muss. „Es gibt fünf Wesenszüge, die Schweden geprägt haben“, erklärte Botschafter Tham. Er nannte dabei an erster Stelle die Finanzierung des Sozialversicherungssystems über die Steuern. Alle Ansprüche, die ein jeder in der Gesellschaft besitzt, gehen vom Individuum aus. Über diesen Weg würden Einkommen und Risiken ausgeglichen. Auf diese Weise könnten etwa kostenlose Kinderbetreuung und Schulbildung ermöglicht werden, die Chancengleichheit auch als Motivation wirken lasse. Jeder der Studierenden erhalte ein Bafög. Gewaltig, aber bewusst und gezielt werde Geld in die Bildungspolitik gesteckt, um eine aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Das ermögliche auch eine bessere Gleichstellung von Mann und Frau.
„Fünfzig Prozent der Steuern machen unser Bruttosozialprodukt aus. Wir haben ein auf Umverteilung basierendes Wohlfahrtssystem, das ohne hohe Steuern nicht bestehen könnte“, erklärte der Botschafter. Zahlen wie eine bei 70 Prozent liegende Vollbeschäftigung, eine Frauenerwerbsquote von 77 Prozent sprechen für sich. Ebenso, dass Schweden fast alle statistischen Erhebungen des Weltwirtschaftsforums in Davos anführt. Die weisen zum Beispiel eine Verdopplung des Exports nach. Das sichert Arbeitsplätze und reicht bis hin zur Sicherung der hohen Qualität des Gesundheitswesens und des Bildungssystems.
Bärbel Schumann