Vortrag und Gespräch mit Dr. Rudolf Speth: Lobbyismus in Deutschland Erpressung, Korruption oder legitime Interessenvertretung?

Die jüngsten Wechsel von Spitzenpolitikern und hohen Beamten in jene Bereiche der Wirtschaft, für die sie eben noch zuständig waren und für die sie sich als nützlich erwiesen haben, runden das negative Bild weiter ab.

So ist es kaum verwunderlich, dass eine Berufsgruppe zunehmend in das Blickfeld der Öffentlichkeit gerät, die bislang kaum beachtet wurde: die Lobbyisten.

In Berlin wird die Anzahl der Lobbyisten auf um die 4 000, in der europäischen Hauptstadt Brüssel auf mindestens 10 000 Personen geschätzt. Teilweise arbeiten sie in den bekannten Verbänden, die die Interessen der Wirtschaft oder die von Berufsgruppen gegenüber Regierung, Verwaltung und Parlament vertreten. Viele Konzerne unterhalten eigene Büros. Lobbyisten sind aber auch in Anwaltskanzleien, in Parteiapparaten, in der Ministerialbürokratie oder in den Fraktionen des Bundestags zu finden. Zuweilen ist die Lobbyistentätigkeit nach außen nicht zu erkennen.

Ist die Arbeit von Lobbyisten mit dem „Geist“ unseres Grundgesetzes vereinbar? Wenn ja – wo liegt die Grenze zwischen legitimer und sinnvoller „Politikberatung“ und illegitimer Einflussnahme auf den Gesetzgebungsprozess? Warum wird es Lobbyisten beispielsweise gestattet, im Vorfeld der Gesetzgebung – vor allem im Bereich der Ministerialbürokratie – zahllose informelle Kontakte aufzubauen und damit massiven und unkontrollierbaren Einfluss ausüben zu können?
Warum wird die Arbeit der Lobbyisten nicht auf die offiziellen Anhörungen des Parlaments beschränkt?
Wegen gescheiterter Reformprojekte lassen Politiker wie Horst Seehofer, Ulla Schmidt oder Peer Steinbrück mittlerweile ihrem Frust über die Lobbyisten freien Lauf.
Der Lobbyismus muss aus der Grauzone der Verschwiegenheit heraus kommen und einer fairen öffentlichen Beurteilung unterzogen werden. Mit der Einladung eines Wissenschaftlers, der sich mit diesem Thema intensiv beschäftigt und darüber publiziert hat, wollen wir unseren Teil dazu beitragen.


 

zur Person Rudolf Speth:

Geboren 1957 in Greding/Bayern.
Studium der Politik- und Sozialwissenschaften an den Universitäten Erlangen und Berlin.
Gegenwärtig Politikwissenschaftler am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften an der Freien Universität Berlin. Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit sind poli-tische Theorie, politische Kommunikation und Demokratietheorie.
Dr. Speth ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“.

Publikationen in letzter Zeit:
Nation und Revolution. Politische Mythen im 19. Jahrhundert.
Der BürgerKonvent: Kampagnenprotest von oben ohne Transparenz und Bürgerbeteiligung, Düsseldorf 2003.
Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Düsseldorf 2004.
Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden 2003.
Die fünfte Gewalt. Lobbyismus in Deutschland, Wiesbaden 2006.