Döbelner Anzeiger – Zerplatzte Jugendträume

11. Juni 2007
 


Daniel und seine vier Kumpel sind Jungen aus schwierigen Verhältnissen, naiv und orientierungslos. Drastisch schildert Clemens Meyer in seinem Debütroman „Als wir träumten“ wie sie ins Verderben schlittern: Suff, Prügeleien, Autoklau, Jugendarrest. Es will einfach nichts werden mit ihren Träumen: „Wir lagen auf dem Dach der Lagerhalle, irgendwo heulte eine Sirene, die Bullen fuhren durch die Nacht. ‚Hör mal, Danie, unser Lied.‘ Wir rauchten und blickten auf die Sterne.“

In Meyers Buch geht es um die Wende und ihre Folgen, beleuchtet am Beispiel von fünf jugendlichen Protagonisten in Reudnitz, im Osten von Leipzig. Meyers Menschen erleben eine Kindheit und Jugend, die den Eltern keinen Platz einräumt, die von der Suche nach einem Abenteuer, dem nächsten Kick, bald auch dem nächsten Schuss Heroin dominiert ist.

Allerdings, so sagt Meyer am Sonnabend bei der Vorstellung des Buches beim Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz, gebe es keine seiner Figuren tatsächlich 1:1 in der Realität. Ebenso räumte er mit dem entstandenen Eindruck auf, dass er der Ich-Erzähler sei: „Ich bin nicht Daniel“, sagt Meyer. Natürlich sei viel von ihm in der Figur drin. „Ich gehörte niemals zu dieser Schicht. Wenn ich das alles so erlebt hätte, würde ich heute nicht hier sitzen“, sagt Meyer. Er sei der Schriftsteller, der sich für Extreme interessiere. Er sei aber kein Sozialwissenschaftler und habe nicht vorgehabt, den literarischen Nachweis gesellschaftlicher Missstände aufzuzeigen.

Dennoch fasziniert sein Roman durch die detaillierten Beschreibungen. So ging es auch dem Autor Sten Nadolny, der ebenfalls in der Lesung saß: „Auch ich bin in den ersten 50 Seiten des Romans darauf hereinfallen und dachte, dass dies absolut authentisch sei. Dann aber habe ich gemerkt, dass hier jemand sein Handwerk gelernt hat.“

Clemens Meyer: Als wir träumten, Verlag S. Fischer; 9,95 €, ISBN: 3100486004.

Von Dagmar Doms-Berger