Döbelner Anzeiger – Diskussionen unter alten Kirschbäumen

15./16. November 2008
 

 

Um das ost-west-forum von Großspendern finanziell unabhängig zu machen, gibt es das “Projekt 1000”.  Der Döbelner Anzeiger sprach mit dem Vereinsvorsitzenden Axel Schmidt-Gödelitz.


Herr Schmidt-Gödelitz, was verbirgt sich hinter dem Projekt 1000?

Es geht um eine Spendenaktion. Damit das ost-west-forum seine Arbeit als überparteilicher Verein fortsetzen kann, brauchen wir eine solide finanzielle Basis. Wir wollen von der internationalen Finanzwelt und Großspendern unabhängig sein und unsere Aktivitäten mit größerer Sicherheit und vorausschauend planen können. Deshalb brauchen wir viele kleinere Spenden. Deshalb auch der Name Projekt 1000. Denn diese Anzahl Unterstützer würde uns genügen.

Von welcher Summe gehen Sie aus, wenn Sie von kleinen Spenden sprechen?

Die Leute sollen die Spende nicht spüren, sie sollen sie einfach vergessen können. Deshalb dachten wir an den Gegenwert eines Mittagessens. Bei dem einen sind es 5 Euro, die er für ein Essen aufwendet, bei einem anderen fällt diese Summe etwas üppiger aus. Wichtig ist, dass die Spenden regelmäßig geleistet werden. Deshalb wäre ein Dauerauftrag oder eine Einzugsermächtigung von Vorteil.

Benötigen Sie auch wenn das Projekt 1000 läuft, noch die Unterstützung der bisherigen Spender?

Natürlich. Wir benötigen jede Unterstützung. Ich möchte mich für die bisher geleisteten großen Spenden bedanken, wie zum Beispiel die der Kreissparkasse Döbeln.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, gerade den Gegenwert eines Mittagessens als Spendenhöhe anzugeben?

Ich selbst habe lange einen kranken Menschen mit solch einer Summe unterstützt. Seine Mutter hatte mich angesprochen. Die Krankenkasse bezahlte zunächst seine Bluttransfusion nicht. Deshalb bat mich die Frau zu den 80 Spendern zu gehören, die monatlichen ihrem Sohn diese Behandlung bezahlten. Und es hat sich gelohnt, die Zeit zu überbrücken, bevor die staatliche Unterstützung einsetzte. Damals kam ich zu der Erkenntnis, dass das Gute in vielfältiger Form unterwegs ist.

Wann wurde das Projekt 1000 ins Leben gerufen und wie viele Leute beteiligen sich bereits daran?

Das Projekt gibt es seit Anfang Juli. Bisher konnten wir dafür 75 Leute begeistern. Es müssen aber viel mehr sein. Ich bin mir sicher, dass wir unser Ziel erreichen werden, aber nur dann, wenn ich nicht jeden Einzelnen ansprechen muss. Wenn wir die Leute für das ost-west-forum begeistern, sind sie sicher auch bereit, ihren kleinen Beitrag zu dessen Erhalt zu leisten. Deshalb sollen unsere Gäste immer wieder neue Leute für das Forum interessieren. Und wenn sich diese mit uns identifizieren, dann sind sie auch mit uns solidarisch. Unser Wunsch ist es, dass die Spendenaktion einen sogenannten Schneeballeffekt hat und das Projekt 1000 in ein bis zwei Jahren auf festen Beinen steht.

Wofür sollen die Spenden verwendet werden?

Das Geld wird vielseitig eingesetzt. Zum Beispiel soll für das ost-west-forum auf Gut Gödelitz ein fester Arbeitsplatz eingerichtet werden. Wir benötigen eine finanzielle Basis für öffentliche Vorträge. Weiterhin haben wir verschiedene Projekte. Dazu zählen „Deutsch-Deutsch, Ost-West und Deutsch-Türkische Biografien“, der Arbeitskreis Rechtsstaat, das Deutsch-Polnische Colloquium und die Werteakademie für Junge Führungseliten. Mehr zu erfahren ist über diese Projekte unter www. ost-west-forum.de. Wir wollen zum Beispiel auch, das Hartz IV-Empfänger an unseren Angeboten teilnehmen. Das ist aber nur dann möglich, wenn wir das finanziell unterstützen.

Ihr Projekt nennt sich auch „Warum es sich unter alten Kirschbäumen besser denken lässt“. Was hat es mit diesem Satz auf sich?

Franzens Wilde heißt die Kirschsorte, die letzten Bäume strahlen in ihrer mehr als 80-jährigen Üppigkeit und Pracht eher Ruhe denn Wildheit aus. Sie war lange vergessen, jetzt spenden die alten Bäume Genuss und Schatten für einen kühlen Kopf während vieler heftiger Debatten. Sie stehen in Gödelitz in der Lommatzscher Pflege, dort wo sich Woche für Woche Menschen treffen, die an die Kraft der demokratischen Auseinandersetzung glauben, die politische Kultur im Wortsinne leben, die sich einmischen in die Debatte um die Bewahrung und die Weiterentwicklung des sozialen demokratischen Rechtsstaats. Es sind Menschen, die die deutsche Einheit als Glück erfahren und seit Jahren schon als Chance nutzen. Aber auch jene, die mit den neuen Verhältnissen weniger gut zurecht kommen.

Es fragte: Sylvia Mende