Vortrag und Diskussion mit dem Journalisten Harald Schumann: Die Rückkehr des Staates. Lehren aus der Finanzkrise

Veranstaltung am 24. Januar 2009

Innerhalb von zehn Jahren hatten wir weltweit drei Wirtschaftskrisen, die jetzige wird von manchen Experten sogar als die Schlimmste seit 1929 bezeichnet. Auch dieses Mal werden die Ursachen genau analysiert, aber wer nach Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft, den Medien und der Wissenschaft sucht: Fehlanzeige. Es ist, als ob diese Krisen schicksalhaft über die Menschheit hereinbrechen. Während ein Teil der Kommentatoren tiefsten Pessimismus verbreitet, beschwören andere schon wieder die Chancen, die eine solche Krise für einen gründlichen Neuanfang in sich birgt. Und: Kein Zweifel, der nächste Aufschwung wird kommen.

Dabei hat die Krise einen wichtigen ideologischen Hintergrund. Es ist der Glaube, dass der Markt alles richtet, dass er gerecht und effizient sei und – wenn man seine Kräfte nur ungehindert walten ließe – er im Zuge eines weltweiten wirtschaftlichen Aufschwungs Armut und Unterentwicklung beseitigen würde. Deshalb: Globale Bewegungsfreiheit für die Kapitalströme, für Waren, Dienstleistungen und Menschen. Privatisierung möglichst aller Marktsegmente – auch die der täglichen Daseinvorsorge. Und: Reduzierung des Staates auf Kernbereiche, die für Handel und Wandel wichtig sind. Seine Regelwut, seine Kontrollsucht ersticken die freien Marktkräfte, lautet das neoliberale Credo.

Liberalisierung, Privatisierung und De-Regulierung: Das sind die Schlagworte des Neoliberalismus, die in der einen oder anderen Form über Jahre von der Wirtschaft und ihren Lobbyorganisationen, von fast allen politischen Parteien, den Medien und den Wirtschaftswissenschaften übernommen wurden und wie ein Gift in unsere Gesellschaft eingedrungen sind. Nicht die Globalisierung an sich – es ist vor allem die fehlenden Kontrolle der Finanzjongleure, die die Krise ganz wesentlich verursacht hat. Und der Rückzug des Staates, die Bereitwilligkeit auf Kontrollen zu verzichten, hat wiederum auch mit der zunehmenden Verfilzung von Staat und Wirtschaft zu tun. Dieses Grundübel, in den USA schiere Selbstverständlichkeit, hat sich leider auch bei uns zunehmend eingeschlichen.

Es gibt nur wenige Experten, die in der Lage sind, diese Entwicklung in all ihren Zusammenhängen und wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Konsequenzen zu durchdringen und für eine breitere Öffentlichkeit verständlich zu machen. Nicht zuletzt seine Bestseller „Die Globalisierungsfalle“ und das gerade erschienene Werk „Der globale Countdown“ belegen dies auf eine eindrucksvolle Weise. Und nur Wenige erkannten frühzeitig die Gefahren dieser globalen Entwicklungen. Einer der brillantesten unter ihnen ist der Journalist und Autor Harald Schumann.


 

Zur Person:

hschumannHarald Schumann wurde 1957 in Kassel geboren. Er studierte in Marburg und Berlin Sozialwissenschaften und Landschaftsplanung. Von 1984 bis 1986 war er Redakteur für Umwelt und Wissenschaft bei der Berliner Tageszeitung; wechselte anschließend in das Wissenschaftsressort beim SPIEGEL. 1990/1991 war er leitender Redakteur des Ost-Berliner „Morgen“, von 1992 bis 2004 arbeitete er wieder beim Spiegel. Von 2000 bis 2002 arbeitete er im Berliner Büro des Hamburger Nachrichtenmagazins, davon zwei Jahre als Ressortleiter Politik bei Spiegel-Online.

Aufgrund einer Auseinandersetzung mit dem Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust um eine bereits fertig abgelieferte Geschichte über die Steuerung der Energiepolitik durch die Stromkonzerne und die Bedeutung der Windenergie kam es zum Wechsel Schumanns zum Berliner Tagesspiegel. Dort ist er Redakteur für besondere Aufgaben. 2004 erhielt Schumann den Medienpreis Entwicklungspolitik. 2007 erhielt er außerdem den Gregor Louisoder-Preis für Umweltjournalismus für einen Beitrag über die Sicherheit deutscher Kernkraftwerke. Seit 2005 gehört er zur Jury des Otto-Brenner-Preises für kritischen Journalismus.

Harald Schumann ist auch als Buchautor erfolgreich tätig. Zusammen mit Hans-Peter Martin schrieb er 1996 den weltweiten Bestseller „Die Globalisierungsfalle“, der inzwischen in 26 Sprachen übersetzt wurde. 1997 erhielten die Autoren dafür den Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch. Im vergangenen Jahr erschien „Der globale Countdown“, in dem Schumann und seine Co-Autorin Christiane Grefe die von den Globalisierungsprozessen zunehmende Abhängigkeit der Völker und Staaten untereinander und die sich daraus ergebenden Probleme thematisieren: den wachsenden Energiebedarf, die Bedrohung des Klimawandels, den Niedergang des Mittelstands und den unmittelbar bevorstehenden Kollaps des Finanzsystems. Im April 2008 erschien sein Buch, im Frühsommer begann der rasante Zusammenbruch der Weltmärkte!